Die 13. Stunde
sie in dieser Gegend noch nie erlebt habe. Seine Neugierde stachelte ihn an, seinen Posten zu verlassen, doch Dance hatte ihm befohlen, sämtliche Aktivitäten zu beobachten und auf alles zu achten, was in irgendeiner Weise ungewöhnlich erschien.
Der Audi war inzwischen dreimal um das Gebäude gefahren. Das war nicht allzu verdächtig – schließlich konnte es sein, dass der Fahrer sich verirrt hatte –, doch bei dem schwarzen Rauch und der Flammenhölle, den sich leerenden Straßen und den heulenden Rettungsfahrzeugen fuhr niemand, der sich verirrt hatte, dreimal um ein Gebäude herum.
Brinehart überprüfte das Kennzeichen des Audi und stellte fest, dass der Wagen einem Nicholas Quinn gehörte, der die gleiche Adresse hatte wie Julia Quinn. Sein Herz klopfte schneller, als ihm ein Verdacht kam; es war beinahe so, als wollte Quinn nicht, dass seine Frau von seiner Anwesenheit erfuhr.
Brinehart beobachtete, wie Julia Quinn Washington House verließ und zum Himmel schaute. Sie zog ihr Mobiltelefon aus der Handtasche und wählte, während sie in ihren Lexus stieg; dann verließ sie rasch den Parkplatz und fuhr davon.
Kaum war sie am Ende der Straße verschwunden, als der Audi zurückkehrte, sich langsam Washington House näherte und auf den Parkplatz fuhr.
Weitere Bestätigungen benötigte Brinehart nicht. Er ließ seinen Wagen an, überquerte die Straße und blockierte die Ausfahrt.
Dreimal hatte Nick den quadratmeilengroßen Block Washington House gegenüber umkreist. Mit jeder Runde wuchs das Entsetzen in der Stadt. Panik breitete sich aus. Niemand wusste, was vor sich ging. Während Nick im schleichenden Verkehr mitkroch, hörte er das Murmeln der Menge, spürte die Angst der Menschen, hörte Gerüchte über einen Flugzeugabsturz, die Explosion einer Gasleitung, einen Terroranschlag.
Larry Powers stand vor der Geschenkboutique seiner Frau, umgeben von Leuten, als wäre er der städtische Ausrufer und wüsste alles.
Nick hörte die Menschen aufgeregt durcheinanderreden.
»… habe es mit eigenen Augen gesehen. Ich hatte gerade zum Himmel geschaut … es war grauenhaft. Zwei Flugzeuge …«
» Zwei Flugzeuge?«, unterbrach ihn jemand. »Was für welche?«
»Eines rammte direkt das andere, wie zwei Vögel, die zusammenstoßen und tot vom Himmel fallen …«
Im Fluss des Verkehrs gefangen, fuhr Nick weiter, als hinter ihm gehupt wurde, doch er musste an Paul Dreyfus denken: Es war sein Flugzeug gewesen, und sein Bruder Sam hatte am Steuer gesessen. Der schicksalhafte Einbruch in Shamus Hennicots Haus führte nicht nur zu Julias Tod, er verursachte auch unbeabsichtigt den Absturz von North East Air Flug 502 und kostete die 212 Passagiere das Leben. So viele Unschuldige, gestorben wegen Unersättlichkeit und Gier.
Nick hatte sich während dieses verrückten Tages ausschließlich auf Julia konzentriert, sodass er gar nicht darüber nachgedacht hatte, was tatsächlich hinter dem Flugzeugabsturz stand – was bewirkt hatte, dass der A 300 an einem wolkenlosen Sommermorgen vom Himmel fiel.
Nick überlegte, dem Nationalen Amt für Transportsicherheit mitzuteilen, was er wusste, damit man sich auf andere Dinge als die Absturzursache konzentrieren konnte, doch er sagte sich, dass man es dort schon früh genug erfahren würde.
Plötzlich begriff er: Wenn er den Einbruch tatsächlich verhindern konnte, wenn er Sam Dreyfus und Ethan Dance von der Durchführung ihres Plans abhalten konnte, rettete er nicht nur Julia …
Als Nick in die Maple Avenue einbog, sah er von Weitem, wie Julias Lexus sich in Richtung Route 22 entfernte. Er fuhr langsamer und suchte erneut die Umgebung ab. Bei jeder Vorbeifahrt hatte er nach Dance Ausschau gehalten, doch der Detective war nirgends zu sehen gewesen. Die Straßen waren voller Autos, die stadtauswärts fuhren; jeder war auf der Flucht, als könnte ein weiteres Flugzeug vom Himmel fallen. Viele Bewohner Byram Hills’ waren unterwegs nach Hause, doch mindestens genauso viele fuhren auf der Route 22 nach Sullivan Field – einige aus morbider Neugierde, die meisten jedoch, um zu helfen. Es war ein nicht abreißender Strom von Stadtbewohnern.
Die Menschen geben immer dann ihr Bestes, wenn es am schlimmsten steht, ging es Nick durch den Kopf.
Er wünschte, er hätte etwas tun können, aber wenn Julia leben sollte, brauchte er jede Sekunde, um herauszufinden, wie er den Einbruch verhindern konnte. Von dieser Stunde waren nur noch fünfzig Minuten übrig; dann würde Nick
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