Die 2 Chance
nickte. Dann stand er auf, als sei unser Gespräch beendet. »Das erfordert eine gewisse Zeit. Wegen einiger Punkte muss ich rückfragen. Aber ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Solange ich hier bin, hätte ich ihn gern gesprochen.«
»Wen, Lieutenant?«
»Den Großen Wichser. Den Kopf von Chimäre.«
Estes blickte mich verblüfft an. »Tut mir Leid, Lieutenant, aber das ist unmöglich. Niemand betritt den Pool.«
Ich schaute Estes in die Augen. »Soll ich mit einer staatlichen Anordnung wiederkommen? Hören Sie, unser Chief ist tot. Jeder Politiker in diesem Staat will, dass wir den Kerl erwischen. Ich habe Rückhalt von ganz oben. Das wissen Sie aber bereits. Schaffen Sie das Schwein her.«
Die straffen Züge Estes entspannten sich etwas. »Seien Sie mein Gast, Lieutenant. Aber er bleibt, wo er ist. Sie müssen sich schon zu ihm bemühen.«
Estes griff zum Telefon und wählte eine Nummer. Nach kurzer Pause befahl er: »Machen Sie Weiscz fertig. Er hat Besuch. Eine Frau.«
Wir gingen durch einen langen unterirdischen Korridor, begleitet von Estes und einem Oberaufseher, der O’Koren hieß und ständig seinen Schlagstock schwang.
Als wir zu einer Treppe kamen, sahen wir ein Schild SHU-C, was Security Housing Unit, Hochsicherheitstrakt, heißt. Der Aufseher führte uns durch eine Sicherheitsschleuse, dann durch eine schwere Drucklufttür, hinter der die ultramoderne Abteilung lag.
Unterwegs klärte Estes uns auf. »Wie die meisten unserer Insassen kam Weiscz von einer anderen Anstalt. Folsom. Dort war er der Anführer der arischen Bruderschaft, bis er einen schwarzen Aufseher erwürgte. Jetzt ist er hier seit achtzehn Monaten in Iso-Haft. Bis wir in diesem Staat Leute ins Todeshaus schicken, können wir nichts mehr für ihn tun.«
Jacobi lehnte sich zu mir und flüsterte: »Du bist sicher, dass du weißt, was du tust, Lindsay?«
Ich war überhaupt nicht sicher. Mein Herz galoppierte, meine Handflächen waren schweißnass. »Deshalb habe ich dich ja mitgenommen.«
»Klar«, meinte Jacobi nur.
Nichts, was ich bisher im Leben gesehen hatte, kam dem Isolationsbau in Pelican Bay gleich. Alles war in stumpfem, sterilem Weiß gestrichen. Massige Aufseher in Khakiuniformen, beiderlei Geschlechts, aber nur Weiße, flankierten die verglasten Aufsichtsposten in den Glaskabinen.
Überall waren Monitore und Überwachungskameras angebracht.
Überall
. Die Einheit war wie eine Erbsenschote gebaut, mit zehn Zellen, durch Luftdrucktüren hermetisch verschlossen.
Estes blieb vor einer Metalltür mit einem großen Fenster stehen. »Willkommen auf Ground Zero der menschlichen Rasse«, sagte er.
Ein muskulöser älterer Aufseher mit beginnender Glatze, einem Gesichtsschutz und einer Art Uzi-Betäubungsgewehr kam herbei. »Weiscz musste erst herausgezogen werden. Ich glaube, er braucht noch ein paar Momente, um locker zu werden.«
Ich schaute Estes an. »
Herausgezogen?«
Estes verzog den Mund. »Man sollte meinen, dass er glücklich wäre, nach so vielen Monaten im Bunker herauszukommen. Nur, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt. Weiscz war nicht kooperativ. Wir mussten ein Team hineinschicken, um ihn gesellschaftsfähig zu machen.«
Er nickte zum Fenster. »Da ist Ihr Mann…«
Ich trat vor die mit Druckluft verschlossene Tür. Auf einem Metallstuhl saß ein muskulöser Fleischberg. Hände und Füße waren mit Handschellen gefesselt, die Hände auf dem Rücken. Sein langes Haar war fettig und strähnig, er hatte einen dünnen, ungepflegten Kinnbart. Er war mit einem orangefarbenen kurzärmeligen Overall bekleidet, der vorn offen war, so dass man die kunstvollen Tätowierungen auf Brust und Armen sehen konnte.
Der stellvertretende Anstaltsleiter sagte: »Ein Aufseher wird mit Ihnen da drinnen sein, außerdem laufen ständig die Überwachungskameras.
Halten Sie sich von ihm fern!
Gehen Sie auf keinen Fall näher als anderthalb Meter an ihn ran. Wenn er auch nur das Kinn in Ihre Richtung bewegt, wird er immobilisiert.«
»Der Kerl ist doch gefesselt«, sagte ich.
»Dieser Wichser frisst Ketten wie nichts«, sagte Estes. »Glauben Sie mir.«
»Kann ich ihm irgendwas versprechen?«
»Klar.« Estes lächelte. »Eine schöne Henkersmahlzeit. Sind Sie so weit…?«
Ich zwinkerte Jacobi zu, der warnend die Augen aufriss. Mein Herz blieb fast stehen, als würde es wie eine Tontaube am Himmel explodieren.
»Bon Voyage«, murmelte Estes. Dann gab er dem Kontrollraum ein Zeichen. Ich hörte das Zischen, als
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