Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
hinauszugreifen. Seit dem Tag von Pflichtgetreus und Dicks wilder Musik hatte ich das nicht mehr getan. Der Grund dafür war nicht nur, dass ich nicht wollte, dass sie das, was wir teilten, mit Chades Ruf in Verbindung brachte; ich fürchtete mich auch noch immer vor dieser fremdartigen Stimme. Ich wollte nichts unternehmen, was die Aufmerksamkeit auf mich oder meine Tochter lenken würde.
Doch in jener Nacht, als hätte mein Herz meinen Verstand verraten, berührte Nessels Geist den meinen. Es glich fast einer Zufallsbegegnung, als hätten wir schlicht zur gleichen Zeit voneinander geträumt. Wieder wunderte ich mich, wie mühelos wir über die Gabe miteinander Verbindung aufnehmen konnten, und ich fragte mich, ob Chade Recht hatte. Vielleicht war das etwas, was ich sie schon als kleines Kind gelehrt hatte. Ich träumte davon, wie sie im Gras unter einem weit ausladenden Baum saß. Sie hielt etwas in Händen, etwas Kleines, Geheimes, und blickte es traurig an.
Was bekümmert dich?, fragte ich sie. Noch während ich sprach und sie sich auf mich konzentrierte, fühlte ich, wie mein Traum-Ich die Gestalt annahm, die sie mir jedes Mal gab. Ich setzte mich und schlang meinen Schwanz um die Vorderpfoten. Dann grinste ich sie wölfisch an. Ich sehe nicht so aus, weißt du?
Woher soll ich wissen, wie du aussiehst? , fragte sie mich missmutig. Du erzählst mir ja nichts von dir. Plötzlich wuchsen Gänseblümchen vor ihren Füßen. Ein winziger blauer Vogel setzte sich auf den Ast über ihrem Kopf und flatterte mit den zerbrechlichen Flügeln.
Was hast du da?, fragte ich neugierig.
Was auch immer ich hier haben mag, es gehört mir. So wie deine Geheimnisse dir gehören. Sie schloss die Hände um ihren Schatz, drückte ihn an die Brust und verbarg ihn in ihrem Herzen. Hatte sie sich verliebt?
Lass mich einmal sehen, ob ich dein Geheimnis erraten kann, bot ich ihr spielerisch an. Die Vorstellung freute mich riesig, dass meine Tochter sich verliebt haben könnte und dieses erste Mal wie einen Schatz hütete. Ich hoffte nur, der junge Mann war es wert.
Sie schaute mich besorgt an. Nein. Halt dich davon fern. Es ist noch nicht einmal mein Geheimnis. Es ist mir nur anvertraut worden.
Hat dir vielleicht ein junger Mann sein Herz anvertraut?, wagte ich mich fröhlich vor.
Entsetzt riss sie die Augen auf. Geh weg! Lass das raten. Wind wehte durch die Äste über ihrem Kopf. Beide blickten wir genau in dem Augenblick nach oben, da sich der blaue Vogel in eine blaue Echse verwandelte. Ihre silbernen Augen funkelten, und ihre Schuppen schimmerten, als sie den Stamm hinunter huschte, fast in Nessels Haar. »Sag es mir«, zirpte ich. »Ich liebe Geheimnisse!«
Sie blickte mich verächtlich an. Damit täuschst du mich nicht. Sie schlug nach der Echse. Geh weg, du Vieh.
Stattdessen sprang das Tier in ihr Haar. Es grub seine Krallen hinein und verfing sich in ihren Zöpfen. Plötzlich wurde es größer, so groß wie eine Katze, und Flügel wuchsen aus seinen Schultern. Nessel kreischte und schlug danach, doch die Echse hielt sich fest. Sie hob den Kopf, der plötzlich auf einem langen Hals saß und schaute mich mit silbernen Augen an. Klein, aber perfekt saß dort ein blauer Drache. Seine Stimme veränderte sich auf schreckliche Art. Fremdartig und kalt krächzte er in meiner Seele: Erzähl mir dein Geheimnis, Traumwolf!, verlangte der Drache.
Erzähl mir von einem schwarzen Drachen und einer Insel! Erzähl es mir jetzt, oder ich reiße ihr den Kopf von den Schultern.
Die Stimme versuchte, Haken in meine Seele zu schlagen. Sie wollte mich packen und genau herausfinden, wer ich war. Ich sprang auf und schüttelte mich. Ich versuchte, den Wolf zu zwingen, von mir zu fliehen, sodass ich dem Traum entkommen konnte, doch er hielt mich fest. Ich spürte den Blick der Kreatur, den bohrenden, fremdartigen Geist, der mich zu zwingen versuchte, meinen wahren Namen zu nennen.
Nessel stand plötzlich auf. Sie griff nach oben und packte die zischende Kreatur mit beiden Händen. Ich starrte sie offenen Mundes an, als sie sich zu mir drehte. Es ist nur ein Traum. Das ist alles nur ein Traum. So wirst du mir nicht meine Geheimnisse entlocken. Das ist nur ein Traum, und den beende ich jetzt und wache auf. JETZT!
Ich weiß nicht, was sie getan hat. Es war weniger, als würde sie ihre Gestalt wechseln, um aus dem Traum zu schlüpfen, sondern vielmehr, als sperre sie den Drachen darin ein. Er wurde zu einem blauen Glas in ihren Händen, das sie
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