Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
schien sich äußerst geehrt zu fühlen, mit dem jungen Lord sprechen zu dürfen. Auf seiner anderen Seite ritt Boyo. Seine offensichtlichen Bemühungen, sich als Gleichgestellter Lord Bresingas zu präsentieren, wurden von der gleichmacherischen Haltung des jungen Mannes der Kuhfrau gegenüber unterminiert. Gentils Katze ritt auf dem Sattel hinter ihm.
Überall um uns herum war der Schnee im Wald geschmolzen, und nur in den tiefsten Schatten klammerten sich noch Eiszapfen fest. Das Grün wagte sich an allen Stellen tapfer in die von der Sonne erhellte Welt, und der Wind, der an uns vorüberwehte, schien in der Tat ein Wind der Veränderungen zu sein. Silberauge ritt allein in unserer Mitte. Web wiederum ritt neben mir und redete munter über alles und jeden. Sowohl die Königin als auch Chade hatten darauf bestanden, dass er uns begleiten musste, damit seine Gefährten sahen, dass er uns aus freien Stücken wieder nach Bocksburg folgte.
Als wir den Treffpunkt erreichten, schienen sich Pard und Gentil gleichermaßen zu freuen, ihren Prinzen zu sehen. Pflichtgetreu spielte den Überraschten und zeigte sich erfreut, dass sie gekommen waren, um ihn abzuholen. Die warmherzige Art, mit der er seinen Freund und dessen Geschwistertier begrüßte, beeindruckte die vom Alten Blut, und zwar sowohl jene, die in Bocksburg gewesen waren, als auch die Zurückgebliebenen. Natürlich war er von mir im Vorfeld schon über das Kommen Gentils informiert worden.
Als wir wieder nach Bocksburg zurückkehrten, kamen nicht nur der Prinz und Laurel mit uns, sondern auch Web und der Barde, dessen Name Kräusel lautete. Er sang beim Reiten, und ich knirschte mit den Zähnen, als er seine Version vom ›Turm der Geweihinsel‹ vortrug. Das Lied erzählte, wie die Bewohner der Geweihinsel sich gegen die Roten Korsaren verteidigt hatten; vor allem die Rolle, die Chivalrics Bastard dabei gespielt hatte, wurde ausführlich besungen. Es stimmte, dass ich dort gewesen war, aber ich bezweifelte mindestens die Hälfte dessen, was man mir und meiner Axt zuschrieb. Web lachte laut, als er meinen gequälten Gesichtsausdruck sah. »Schau nicht so drein, Tom Dachsenbless. Der Zwiehafte Bastard ist ein Held, den unsere Leute gemeinsam haben. Er war sowohl ein Bocksburgmann als auch vom Alten Blut.« Und er stimmte in das Lied des Barden ein, als dieser sang: »Chivalrics Sohn, mit flammenden Augen, der teilte sein Blut wenn auch nicht seinen Namen.«
Hatte nicht Merle diese Ballade geschrieben? , fragte mich Pflichtgetreu mit spöttischer Sorge. Sie betrachtet sie als ihr Eigentum. Es dürfte ihr gar nicht gefallen, wenn Kräusel sie in Bocksburg singt.
Damit stünde sie nicht alleine da. Ich könnte ihn ja erwürgen und ihr so Zeit sparen.
Doch beim nächsten Refrain hoben nicht nur Pflichtgetreu und Gentil die Stimmen, sondern auch die Hälfte der Soldaten. Das, so sagte ich mir, ist die typische Wirkung eines Frühlingstages. Ich hoffte, dass das bald vorüber war.
Kapitel 27
Segel im Frühling
Am Anbeginn der Welt waren die vom Alten Blut und die Tiere auf den Feldern, die Fische im Wasser und die Vögel am Himmel. Alle lebten in Einklang miteinander, wenn nicht gar in Harmonie. Unter jenen vom Alten Blut gab es nur zwei Stämme. Einer bestand aus den Blutnehmern, und die verschwisterten sich mit den Tieren, die das Fleisch anderer Tiere aßen. Die anderen waren die Blutgeber, sie verschwisterten sich mit jenen Kreaturen, die ausschließlich Pflanzen zu sich nahmen. Die zwei Stämme hatten nichts miteinander zu tun, nicht mehr als ein Wolf mit einem Schaf zu tun hat; das heißt, sie haben einander nur im Tod getroffen. Doch jeder respektierte den anderen als Teil des Landes.
Nun waren die Gesetze, die sie voneinander trennten, streng und gerecht. Aber es gibt stets Menschen, die glauben, es besser zu wissen als das Gesetz, oder die denken, für sie müsse man eine Ausnahme machen. So kam es, dass die Tochter eines Blutnehmers, die sich mit einem Fuchs verschwisterte, sich in einen Blutgeber verliebte, der mit einem Ochsen verschwistert war. Was konnte aus ihrer Liebe schon Schlimmes erwachsen, dachten sie? Sie würden einander nicht verletzen, weder die Frau den Mann, noch der Fuchs den Ochsen. Und so trennten sie sich von ihren Stämmen, lebten ihre Liebe und hatten vier Kinder. Aber von ihren Kindern war der erste Sohn ein Blutnehmer und die erste Tochter eine Blutgeberin, und das dritte Kind war ohne die Alte Macht geboren, taub für jedes
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