Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
auch jene Adelige verhalten, die Veritas am nächsten gestanden hatte, erinnerte ich mich, und ich dachte bei mir, dass diese ungezwungene Zuneigung weit wertvoller war als all die Katzbuckelei, wie die Schmeichler sie bei Edel betrieben hatten.
So kam es mir dann auch nicht allzu seltsam vor, als Web zu mir blickte und den Prinzen fragte: »Wird sich Tom Dachsenbless heute zu uns gesellen, mein Prinz?«
Gleich zwei Fragen verbargen sich in diesem Satz. War ich hier, um meine Zwiehaftigkeit einzugestehen und vielleicht auch meine Identität zu offenbaren, und würde ich mich ihrer >Kordiale< anschließen? Ich hielt den Atem an, als Pflichtgetreu antwortete: »Eigentlich nicht, Web. Er kümmert sich um meinen Mann Dick. Wie ich gehört habe, hast du vergangene Nacht über ihn gewacht, um Dachsenbless ein wenig Ruhe zu gönnen, und dafür danke ich dir. Jetzt hat sich Dick jedoch einen Husten eingefangen und leidet unter Fieber. Er empfindet Dachsenbless Gesellschaft als beruhigend, und so hat der Mann zugestimmt, bei ihm zu bleiben.«
»Ah. Ich verstehe. Nun, Dick, es tut mir Leid, dass du so krank bist.« Während er sprach, kam Web zur Tür und spähte hinein. Am Tisch hinter ihm setzte der Rest der Kordiale das leise Gespräch fort. Flink beobachtete Web nervös. Dick hatte sich in seine Decken gewickelt, starrte an die Wand und schien Web kaum zu bemerken. Selbst seine Gabenmusik war gedämpft, als mangele es ihm an Energie für sie. Als Dick nicht antwortete, berührte Web mich leicht an der Schulter und sagte leise: »Wenn du dich ausruhen möchtest, könnte ich auch heute Nacht wieder bei ihm wachen. In der Zwischenzeit ...«, er drehte sich von mir weg und winkte Flink, dessen Gesicht sich sofort sorgenvoll verdüsterte. »In der Zwischenzeit werde ich meinen >Pagen< hier bei dir lassen. Zweifelsohne habt ihr beide viel miteinander zu bereden, und sollte irgendetwas für Dicks Wohlbefinden vonnöten sein, bin ich sicher, dass Flink es gerne holen wird. Stimmt das nicht, Junge?«
Flink war in einer unhaltbaren Position, und er wusste es. Er schlich zu uns wie ein geprügelter Hund, stellte sich neben Web und senkte den Blick. »Ja, Herr«, erwiderte er leise. Er hob die Augen, und mir gefiel nicht, was ich darin sah. Da waren Furcht und Abneigung. Und diese Empfindungen richteten sich gegen mich, wenngleich ich glaubte, dass solcher Groll ungerechtfertigt war.
»Flink«, sagte Web und zog damit den Blick des Jungen wieder auf sich. Mit einer Stimme, die nur für unsere Ohren bestimmt war, fuhr er fort: »Alles in Ordnung. Vertrau mir. Tom will nur sicherstellen, dass du an Bord dieses Schiffes mit deiner Ausbildung weitermachst. Das ist alles.«
»Tatsächlich ist da noch mehr«, sagte ich widerwillig. Beide starrten mich an, und Web hob eine Augenbraue. »Ich habe ein Versprechen gegeben«, begann ich langsam, »und zwar deiner Familie, Flink. Ich habe versprochen, mein Leben zwischen dich und alles zu stellen, was dich bedrohen mag. Ich habe versprochen, mein Bestes zu tun, um dich wieder unversehrt nach Hause zu bringen.«
»Und was, wenn ich nicht nach Hause will, wenn das hier vorbei ist?«, fragte Flink mich frech und hob die Stimme. Über die Gabe spürte ich, wie die Aufmerksamkeit des Prinzen auf unser Gespräch gelenkt wurde. Dann fuhr der Junge entrüstet fort: »Warte! Wie hast du mit meinem Vater gesprochen? Ihr hattet keine Zeit mehr, Nachrichten auszutauschen, bevor wir aufgebrochen sind. Du lügst.«
Ich atmete tief durch. Als ich wieder ruhig sprechen konnte, erwiderte ich mit gesenkter Stimme: »Nein. Ich lüge nicht. Ich habe deiner Familie mein Versprechen geschickt. Ich habe nicht gesagt, dass sie mir geantwortet haben. Nichtsdestotrotz betrachte ich mein Wort als bindend.«
»Da war keine Zeit«, protestierte Flink, diesmal jedoch leiser. Web schaute ihn missbilligend an. Ich verzog das Gesicht. Dann warf der alte Mann auch mir einen tadelnden Blick zu, den ich jedoch standhaft erwiderte. Ich hatte versprochen, den Jungen zu beschützen und wieder nach Hause zu bringen. Das bedeutete jedoch nicht, dass ich auch seine Beleidigungen ertragen musste.
»Ich nehme an, das wird eine lange Reise für euch werden«, bemerkte Web. »Ich überlasse euch jetzt euch selbst, und ich hoffe, ihr beide werdet lernen, das Beste daraus zu machen. Ich glaube, ihr beide habt einander viel zu bieten; aber ihr werdet das nur zu schätzen wissen, wenn ihr es selbst entdeckt.«
»Mir ist kalt«,
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