Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
scheint nun besser zu schlafen. Vielleicht ist das Schlimmste ja vorbei«, sagte er mit einem lang gezogenen Gähnen.
»Hoffentlich hast du Recht«, erwiderte ich. Behutsam öffnete ich meinen Geist für Dicks Musik. Zwar war sie nicht länger ein Gabensturm, aber noch immer so konstant wie die Wellen. Sein Mutterlied war wieder das dominante Element, doch ich hörte auch das Schnurren eines Kätzchens und das beruhigende Echo von Nessels Stimme, die ihm versicherte, dass er geliebt werde und ihm nichts geschehen würde. Das beunruhigte mich ein wenig. Ich fragte mich, ob ich das nur hörte, weil ich Zeuge der Veränderung geworden war, oder ob Chade und der Prinz ebenfalls Nessels Worte und Stimme vernahmen.
»Du wirkst ebenfalls ausgeruhter«, bemerkte Web und riss mich so aus meinen Gedanken.
»Ja, das bin ich auch. Und ich danke dir.«
Er reichte mir die Hand, und ich nahm sie und half ihm auf. Web rollte die Schultern, um die Steifheit aus seinen Gliedern zu vertreiben. Dann sagte er: »Ich glaube, mit der Zeit wirst du lernen, mir zu vertrauen, mein Freund. Sag mir Bescheid, wenn es so weit ist.«
Ich stieß einen leisen Seufzer aus. Eine höfliche Entgegnung wäre die Feststellung gewesen, dass ich ihm bereits vertraute; doch ich konnte nicht gut genug lügen, um Web zu täuschen. Also nickte ich nur. Dann, als Web sich zum Gehen wandte, erinnerte ich mich an Flink. »Ich muss dich um einen weiteren Gefallen bitten«, sagte ich verlegen.
Web drehte sich wieder um, ernste Freude auf dem Gesicht. »Das betrachte ich als wirklichen Fortschritt.«
»Könntest du Flink bitten, zu mir zu kommen? Ich würde gerne mit ihm sprechen.«
Web neigte den Kopf zur Seite wie eine Möwe, die eine dubiose Muschel betrachtet. »Willst du ihm den Kopf waschen, weil er nicht zu seinem Vater zurückgekehrt ist ?«
Ich dachte nach. Würde ich? »Nein. Ich will ihn nur wissen lassen, dass ich es als eine Frage der Ehre betrachte, dafür zu sorgen, dass er wieder sicher nach Bocksburg zurückkehrt. Außerdem erwarte ich von ihm, dass wir unseren Unterricht auf dieser Reise fortsetzen.« Oh, das würde Chade gefallen, dachte ich säuerlich. Ich hatte ohnehin kaum Zeit, und jetzt nahm ich auch noch eine weitere Aufgabe an.
Web lächelte warmherzig. »Es ist mir eine Freude, ihn zu dir zu schicken, damit du ihm diese Dinge sagen kannst«, erwiderte er. Er verneigte sich knapp und ging.
Auf meinen durch die Gabe übermittelten Vorschlag hin stand der Prinz früh auf und wartete an Deck neben Dick, als dieser schließlich erwachte. Ein Diener brachte einen kleinen Korb mit warmem Brot und einer Kanne heißen Tees. Der Duft machte mir bewusst, wie ausgehungert ich selber war. Der Diener stellte den Korb neben Dick, und der Prinz entließ ihn. Schweigend blickten wir aufs Meer hinaus, während wir darauf warteten, dass Dick aufwachte.
Wann hat seine Musik sich verändert? Als ich heute Morgen aufgewacht bin, konnte ich gar nicht glauben, wie entspannt und ausgeruht ich mich gefühlt habe. Es dauerte einige Zeit, bis ich erkannt habe, was die Ursache für diese Veränderung ist.
Es ist solch eine Erleichterung, nicht wahr?
Ich wollte mehr sagen, wagte es aber nicht. Ich konnte dem Prinzen gegenüber nicht eingestehen, dass ich mich an Dicks Träumen zu schaffen gemacht hatte. Tatsächlich bezweifelte ich, dass Dick meine Anwesenheit neben Nessel überhaupt bemerkt hatte.
Dicks plötzliches Husten rettete mich. Dann öffnete er die Augen. Er blickte zu Pflichtgetreu und mir hinauf, und langsam schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. »Nessel hat meinen Traum für mich repariert«, sagte er, und bevor Pflichtgetreu oder ich etwas darauf erwidern konnten, begann er erneut zu husten. »Ich fühle mich nicht gut«, sagte er. »Mein Hals tut weh.«
Ich ergriff die Gelegenheit, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Vermutlich liegt das an dem vielen Würgen, Dick. Schau mal, Pflichtgetreu hat dir Tee und frisches Brot gebracht. Der Tee wird deinem Hals gut tun. Soll ich dir etwas einschenken?«
Dicks antwortete mit einem weiteren Hustenanfall. Ich hockte mich neben ihn und berührte seine Wange. Sein Gesicht war warm, aber er war ja auch gerade erst aufgewacht und noch immer in dicke Wolldecken gewickelt. Das bedeutete noch lange nicht, dass er Fieber hatte. Verärgert warf Dick die Decken beiseite und setzte sich auf. Er sah hundeelend aus, und seine Musik nahm wieder einen unharmonischen Ton an.
Der Prinz
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