Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
erhielt er die gleiche lustlose Antwort wie ich, und Flink ging hinaus.
Raum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, da war Chade an meiner Seite. »Wie geht es ihm?«, fragte er ernst, als er Dicks Gesicht berührte.
»Er hat Fieber und Husten. Er hat zwar etwas Wasser getrunken, aber nichts gegessen.«
Chade ließ sich auf die Bettkante fallen. Er tastete Dicks Hals ab und ließ dann die Hand in den Kragen des kleinen Mannes gleiten, um das Fieber zu fühlen. »Wie lange hat er schon nichts mehr gegessen?«, fragte er mich. »Das ist schon mindestens drei Tage her.« Chade stieß zischend die Luft aus. »Nun, da sollten wir ansetzen. Er muss essen. Am besten wäre vielleicht Brühe mit weichem Fleisch und Gemüse.«
Ich nickte, doch Dick stöhnte nur und drehte den Kopf zur Wand. Seine Musik besaß einen seltsamen, dahintreibenden Unterton. Sie schien in der Ferne zu verhallen, als würde sie an einen Ort fließen, zu dem ich keinen Zugang hatte.
Chades Hand auf meinem Handgelenk lenkte mich ab.
Was hast du vergangene Nacht mit ihm gemacht? Glaubst du, dass das die Ursache für seine Krankheit war?
Seine Frage entsetzte mich, und ich antwortete laut: »Nein. Nein, ich glaube, das ist eine Folge seiner Seekrankheit, all der Nächte im Regen an Deck und des Mangels an fester Nahrung.«
Dick hatte unseren Gabenkontakt vielleicht bemerkt. Auf jeden Fall drehte er den Kopf zu uns um und blickte mich böse an. Dann fielen ihm wieder die Augen zu.
Chade ging weg und winkte mir, ihm zu folgen. Er setzte sich auf die gut gepolsterte Bank unter einem der Fenster und bedeutete mir, mich zu ihm zu gesellen. Der Prinz hatte ein Steinspiel aufgebaut. Jetzt hob er den Blick und schaute uns neugierig an.
»Es ist schon seltsam, dass leises Sprechen die beste Art ist, unser Gespräch unter uns zu behalten.« Chade deutete aus dem Fenster und forderte mich damit auf hinauszuschauen. Ich beugte mich vor und nickte. Er lächelte und flüsterte mir ins Ohr: »Ich konnte vergangene Nacht nicht schlafen. Also habe ich ein paar Gabenübungen gemacht, und ich bilde mir ein, mich recht gut angestellt zu haben. Dicks Musik war stark und wild. Dann habe ich etwas gefühlt... irgendjemanden... Dich, habe ich zunächst geglaubt; aber da war noch eine andere Präsenz, eine, die ich schon vorher gefühlt habe, wenn auch nur kurz. Sie wurde immer stärker und gebieterischer, und dann hat sich Dicks Musik beruhigt.«
Ein Teil von mir staunte darüber, dass Chade stark genug in der Gabe war, um überhaupt irgendwas bemerkt zu haben. Ich dachte jedoch nicht schnell genug und schwieg viel zu lange, bevor ich unschuldig fragte: »Eine andere Präsenz ?«
Chade lächelte. »Nessel, glaube ich. Willst du sie auf diese Art in die Kordiale einbinden?«
»Nicht wirklich«, antwortete ich, und es war, als würde eine Mauer zusammenbrechen, da ich Chade mein Geheimnis offenbarte. Es gefiel mir nicht, und doch konnte ich die Erleichterung nicht leugnen, die ich dabei empfand, endlich darüber zu sprechen. Ich war meiner Geheimnisse müde, erkannte ich plötzlich, zu müde, um sie noch weiter zu beschützen. Sollte Chade doch von Nessel und ihrer Kraft wissen. Damit ließ ich ja noch lange nicht zu, dass er sie ausnutzte. »Ich habe sie um einen Gefallen gebeten. Ich musste sie wissen lassen, dass Flink in Sicherheit ist und ich über ihn wache. Bevor wir von Burgstadt aufgebrochen sind, habe ich ihr gesagt, dass er nach Hause käme, denn das habe ich auch geglaubt. Als ich herausgefunden habe, dass er mit Web an Bord gekommen ist, nun ... Ich konnte sie nicht im Ungewissen lassen, sodass sie sich ständig hätte fragen müssen, ob ihr Bruder vielleicht irgendwo tot im Straßengraben lag.«
»Natürlich nicht«, murmelte Chade. Seine Augen funkelten vor Gier nach Informationen. Ich gab sie ihm.
»Als Gegenleistung habe ich sie gebeten, Dicks Albtraum zu beenden. Sie ist offenbar sehr begabt darin, ihre eigenen Träume zu gestalten, und vergangene Nacht hat sie bewiesen, dass sie auch den Traum eines anderen beeinflussen kann.«
Ich beobachtete Chades Gesicht genauso aufmerksam wie er das meine. Ich sah, wie er über den möglichen Nutzen solch einer Fähigkeit grübelte; ein Funkeln trat in seinen Augen, als er erkannte, was für eine mächtige Waffe diese Fähigkeit sein konnte. Die Kontrolle über die Bilder im Kopf eines Menschen zu erhalten, seine ungeschützten Gedanken in eine düster-schreckliche oder ermutigend-schöne Richtung zu
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