Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
lenken ... Was könnte man mit solch einem Instrument nicht alles erreichen? Man könnte einen Menschen mit Alb träumen in den Wahnsinn treiben, mit romantischen Träumen eine Ehe stiften oder eine Allianz mit Misstrauen vergiften.
»Nein, denk nicht einmal daran«, sagte ich leise. »Nessel weiß nicht, was für eine Macht sie ausübt. Sie weiß noch nicht einmal, dass es die Gabe ist, die sie gebraucht. Ich werde sie nicht in die Kordiale holen, Chade.« Und dann tischte ich ihm die listigste Lüge auf, die ich mir in der kurzen Zeit hatte ausdenken können. Hätte er es bemerkt, Chade wäre stolz auf mich gewesen. »Sie wird uns am besten dienen, wenn sie allein arbeitet, ohne die tatsächliche Bedeutung ihres Tuns auch nur zu ahnen. So wird sie sich als fügsamer erweisen ... bei mir war das in meiner Jugend ja genauso.«
Chade nickte ernst und machte sich gar nicht erst die Mühe, das zu leugnen. Und dann erkannte ich eine Schwäche bei meinem Mentor. Er hatte mich geliebt und dennoch benutzt und ließ noch immer zu, dass ich benutzt wurde.
Vielleicht lag das daran, dass er ebenso benutzt worden war. So vermutete er auch noch nicht einmal, dass ich Nessel vor solch einem Schicksal zu bewahren gedachte. »Ich bin froh, dass du erkannt hast, dass es so am besten ist«, sagte er anerkennend.
»Was ist da draußen?«, fragte der Prinz neugierig. Er trat zu uns und blickte aus dem Fenster. Chade erzählte ihm irgendeinen Unsinn von wegen optischer Täuschung. Erst sehe man die Schiffe sich übers Wasser bewegen, und wenn man dann blinzelte, könne man das Wasser sich unter den Schiffen bewegen lassen.
»Und worüber wolltest du mit uns unter vier Augen sprechen?«, erkundigte sich Pflichtgetreu.
Chade atmete tief durch, und ich sah ihm förmlich an, wie er nach einem geeigneten Thema suchte. »Ich halte dieses Arrangement für hervorragend. Da sowohl Dick als auch Fitz jetzt hier sind, haben wir Zugang zu unserer gesamten Kordiale. Ich denke, es wäre am besten, wenn wir verbreiten würden, dass Dick inzwischen sehr an Fitz hängt und ihn ständig in seiner Nähe haben will. Mit dieser Entschuldigung sieht es nicht ganz so seltsam aus, wenn ein einfacher Gardist sich ständig in der Nähe des Prinzen aufhält, selbst nachdem Dicks Gesundheitszustand sich verbessert hat.«
»Ich dachte, das hätten wir bereits diskutiert«, hakte Pflichtgetreu nach.
»Haben wir das? Nun, ich nehme an, da hast du Recht. Bitte entschuldigt den umherwandernden Geist eines alten Mannes, mein Prinz.«
Pflichtgetreu stieß ein leises, skeptisches Geräusch aus, und ich zog mich taktvoll wieder zu Dicks Bett zurück.
Dicks Fieber hatte nicht nachgelassen. Chade rief einen Diener und befahl ihm, Speisen zu holen, die er für Dick als hilfreich erachtete. Ich dachte an die säuerliche Köchin, der ich begegnet war, und empfand Mitleid mit dem Jungen, den Chade losgeschickt hatte. Es dauerte nicht lange, und der Junge kehrte mit einer Schüssel heißen Wassers und einem Stück Salzfleisch darin wieder zurück. Das erregte Chades Wut, und er schickte einen zweiten Diener mit strengen und präzisen Anweisungen. Ich überredete Dick dazu, etwas Wasser zu trinken, und lauschte besorgt, wie seine Atmung immer rauer wurde.
Schließlich traf das Essen ein. Der zweite Versuch der Köchin war weit besser als ihr erster, und es gelang mir, etwas davon in Dick hineinzubekommen. Seine Kehle war wund, und das Schlucken bereitete ihm Schmerzen, und so aß er nur langsam. Auf Chades Anweisung hin hatte die Köchin auch etwas für mich mitgeschickt, sodass ich essen konnte, ohne von Dicks Seite weichen zu müssen. Von da an sollte ich meine Mahlzeiten immer so einnehmen. Ich war froh, essen zu können, wann immer ich wollte, und ohne mich dabei mit den anderen Gardisten streiten zu müssen; andererseits war ich so von allen Gesprächen isoliert abgesehen von jenen mit Chade, Dick und Pflichtgetreu.
Ich hatte gehofft, in meiner ersten Nacht in der prinzlichen Kabine endlich wieder ordentlich schlafen zu können. Dick hatte sich beruhigt und warf sich nicht mehr hin und her oder stöhnte, und so wagte ich zu hoffen, dass er auf gewisse Art seinen Frieden gefunden hatte. Ich legte meinen Strohsack auf die Schwelle zu seiner Kajüte und schloss in der Sehnsucht nach Ruhe die Augen; stattdessen atmete ich jedoch tief durch, konzentrierte mich auf mich selbst und tauchte in Dicks Traum ein.
Er war nicht allein. Der Dick in Katzengestalt hatte es sich
Weitere Kostenlose Bücher