Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
wirst einfach weitermachen.«
Während wir in dieser Nacht Rücken an Rücken auf meinem alten Mantel schliefen, spürte ich ihn schaudern, zucken und dann im Schlaf kämpfen. Ich rollte mich zu ihm herum. Tränen schimmerten auf seinen Wangen, und er jammerte: »Bitte, aufhören, aufhören! Alles, alles. Nur aufhören, aufhören !«
Ich berührte ihn, und er stieß einen wilden Schrei aus und kämpfte kurz und wild gegen mich an. Dann wachte er keuchend auf. Ich ließ ihn wieder los, und sofort zog er sich von mir zurück. Auf Händen und Knien kroch er davon, über den Platz zum Waldrand, wo er den Kopf nach vorn streckte und sich übergab, wieder und wieder, als wolle er die feigen Worte herauswürgen, die er gesagt hatte. Ich ging nicht zu ihm. Nicht in diesem Augenblick.
Als er wieder zurückkehrte - auf zwei Beinen diesmal -, bot ich ihm meinen Wasserschlauch an. Er spülte sich den Mund aus und trank. Dann blickte er von mir weg und in die Nacht, als könne er dort die verlorenen Teile von sich finden. Ich wartete. Schließlich ließ er sich wieder stumm neben mir auf dem Mantel nieder. Er zog sich zu einem Ball zusammen, das Gesicht von mir abgewandt. Immer wieder schüttelte es ihn. Ich seufzte.
Ich streckte mich neben ihm aus, rutschte näher an ihn heran, und trotz seines Widerstands nahm ich ihn unbeholfen in den Arm. Er weinte stumm, und ich wischte ihm mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. Vorsichtig ob seines rohen Rückens zog ich ihn zu mir heran, schob seinen Kopf unter mein Kinn und schlang die Arme um ihn. »Schlaf jetzt, Narr«, sagte ich in ruppigem Tonfall. »Ich bin ja hier. Ich werde mich um dich kümmern.« Er schob die Hand zwischen uns, und ich fürchtete schon, er würde mich wegstoßen. Stattdessen klammerte er sich an meinem Hemd fest.
Die ganze Nacht über wiegte ich ihn in meinen Armen, als wäre er mein Kind oder mein Liebhaber. Ich hielt ihn so eng, als wäre er ich, verwundet und allein. Ich hielt ihn, während er weinte, und ich hielt ihn auch noch, als die Tränen versiegt waren. Ich ließ ihn sich allen Trost nehmen, den er in meiner Wärme und Kraft finden konnte. Ich habe mich deshalb nie weniger als Mann gefühlt.
Ich schreibe dies mit meiner eigenen Feder und bitte Euch, mir die Berghand zu verzeihen, in der ich die Buchstaben der Sechs Provinzen schreibe. Unser hochgeschätzter Schreiber Fedwren setzt gerade ein formelles Schreiben auf, doch in diesem Brief habe ich Euch persönlich schreiben wollen, von Witwe zu Witwe und von Frau zu Frau, auf dass Ihr verstehen mögt, dass kein Land und kein Titel Euch über den Verlust hinwegtrösten kann, den Ihr erlitten habt.
Euer Gemahl hat den größten Teil seines Lebens in den Diensten der Weitseher verbracht. Er hätte wahrlich schon vor Jahren für all das belohnt werden sollen, was er für seine Könige getan hat in jeder Halle hätte man sein Lied singen sollen. Nur weil er sein Leben riskiert hat, habe ich jene finstere Nacht überlebt, da Edel der Anmaßer sich gegen uns gewandt hat. In seiner Bescheidenheit hat er darum gebeten, dass seine Taten unbesungen bleiben. Es erscheint herzlos, dass der Thron der Sechs Provinzen erst jetzt all das anerkennt, was er für uns getan hat -jetzt, da er sein Leben in unserem Dienst gegeben hat.
Ich war gerade dabei, Kronland auszusuchen, um Burrich damit für seine Dienste zu entlohnen, als ein Kurier von Prinzessin Philia eintraf Schlechte Nachrichten verbreiten sich in der Tat rasch, denn sie war bereits über den Tod Eures Gemahls informiert Sie schrieb mir, dass er zu den engsten
und liebsten Freunden des verstorbenen Prinz Chivalric gehört habe, und sie sei sicher; dass Ihr Herr gewünscht hätte, das Gut in Weidenhag der Obhut Eurer Familie zu übergeben. Der Titel über diese Länder wird Euch sofort übertragen, sodass Ihr mit Eurer Familie für immer dort bleiben könnt.
Brief von Königin Kettricken an Molly Blaufleck Burrichswyf
»Ich habe geträumt, ich sei du.« Er sprach leise zu den Flammen.
»Hast du?«
»Und du warst ich.«
»Wie drollig.«
»Tu das nicht«, warnte er mich.
»Tu was nicht?«, fragte ich unschuldig.
»Sei nicht ich.« Er bewegte sich auf dem Mantel neben mir. Die Nacht spannte sich wie ein Dach über uns, und der Wind war warm. Der Narr hob die schmalen Finger, um sich das goldene Haar aus dem Gesicht zu streichen. Im sterbenden Licht des Feuers waren die blauen Flecken auf seinem Gesicht kaum noch zu erkennen, doch seine
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