Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
der Zunge im Mund herumfuhr, und ich zuckte jedes Mal mit ihm zusammen, wenn er eine Lücke in seinen Zähnen fand. »Erzähl mir, was geschehen ist«, bat er mich leise.
Und das tat ich. Ich begann damit, wie die Wachen mich in den Schnee hinausgeworfen hatten, und berichtete ihm alle Einzelheiten, als hätte Chade mir gegenüber gesessen. Langsam veränderte sich sein Gesichtsausdruck, als ich von den Drachen zu erzählen begann. Er setzte sich gerade auf. Ich fühlte, wie das Gabenband zwischen uns stärker wurde, als würden einfache Worte nicht ausreichen, ihm alles zu sagen. Bereitwillig öffnete ich mich für ihn und teilte meine Erfahrungen jenes Tages mit ihm. Als ich ihm berichtete, dass Eisfeuer und Tintaglia sich in der Luft gepaart hatten und dann verschwunden waren, schluchzte er. Doch keine Träne war zu sehen, als er mich ungläubig fragte: »Dann ... dann haben wir also triumphiert? Und sie hat verloren. Es wird also wieder Drachen auf dieser Welt geben.«
»Natürlich«, antwortete ich, und erst dann fiel mir auf, dass er das ja nicht wissen konnte. »Wir gehen nun durch unsere Zukunft. Wir gehen auf dem Pfad, den du für uns bereitet hast.«
Er schluckte erneut hörbar. Dann stand er steif auf und ging ein, zwei Schritt. Schließlich drehte er sich wieder zu mir herum, das Herz in den Augen. »Aber ... ich bin hier blind. Ich habe nie etwas von alledem vorausgesehen. In jeder meiner Visionen habe ich den Triumph mit meinem Tod erkauft. Ich bin immer gestorben.«
Langsam neigte er den Kopf zur Seite und fragte mich: »Und ich
bin
auch gestorben, nicht wahr?«
»Das bist du«, gestand ich. Doch ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. »Aber wie ich dir schon in Bocksburg gesagt habe: Ich bin der Katalyst. Ich bin der Wandler.«
Er stand still da wie ein Stein, und als ihm die Erkenntnis kam, war es wie ein Steindrache, der zum Leben erwachte. Das Leben durchströmte ihn. Er begann zu zittern, und diesmal fürchtete ich mich nicht davor, seinen Arm zu nehmen und ihm zu helfen, sich zu setzen. »Der Rest«, verlangte er mit zitternder Stimme von mir. »Erzähl mir den Rest.«
Und so erzählte ich ihm alles von jenem Tag, während wir Pflaumen aßen, Tee tranken und uns dann an der restlichen Hasenbrühe gütlich taten. Ich erzählte ihm, was ich über den Schwarzen Mann wusste, und seine Augen wurden groß. Ich sprach davon, wie ich seine Leiche gesucht hatte, und widerwillig berichtete ich ihm auch, wie ich ihn gefunden hatte. Er wandte den Blick ab, während ich sprach, und ich spürte, wie unser Gabenband schwächer wurde, als wolle er sich vor mir verstecken. Dennoch erzählte ich ihm alles - auch von meiner Begegnung mit der Bleichen Frau. Er rieb sich die Arme, während ich von ihr berichtete, und als er fragte: »Dann lebt sie also noch? Sie ist nicht gestorben?«, zitterte seine Stimme wieder.
»Ich habe sie nicht getötet«, gab ich zu.
»Warum?«, verlangte er schrill und ungläubig zu wissen. »Aber warum hast du sie nicht gelötet, Fitz? Warum?«
Dieser Ausbruch entsetzte mich, und ich kam mir dumm vor. Ich fühlte mich genötigt, mich zu verteidigen. »Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich geglaubt habe, dass sie genau das von mir will.« Die Worte kamen mir selbst nun töricht vor, aber ich sprach sie trotzdem. »Zuerst haben der Schwarze Mann und dann die Bleiche Frau gesagt, ich sei der Katalyst für diese Zeit. Der Wandler. Ich wollte jedoch nichts von dem verändern, was du getan hast.«
Eine Zeit lang herrschte Schweigen zwischen uns. Der Narr schaukelte vor und zurück und atmete durch den Mund. Nach einer Weile schien er sich wieder zu beruhigen. Dann sagte er mit großer Mühe, die er zu verbergen suchte: »Ich bin sicher, du hast getan, was du für das Beste gehalten hast, Fitz. Das mache ich dir nicht zum Vorwurf.«
Vielleicht meinte er diese Worte ernst, aber ich glaube, es fiel uns beiden in diesem Augenblick schwer, sie zu glauben. Das dämpfte das Licht seines Triumphs und errichtete eine kleine, schattenhafte Mauer zwischen uns. Dennoch fuhr ich mit meinem Bericht fort, und als ich ihm erzählte, wie wir durch den Gabenpfeiler, den ich in dem Eispalast gefunden hatte, hierher gekommen waren, erstarrte er förmlich. »Das habe ich nie gesehen«, gab er mit einem Hauch von Staunen zu. »Ich habe es noch nicht einmal geahnt.«
Der Rest war rasch erzählt. Als ich zu der Hahnenkrone kam und zu meinem Erschrecken darüber, dass es sich bei ihr um ein
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