Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
ich sie erschlagen hätte. Ich dachte darüber nach, zurückzugehen, sie zu töten und dem Narren ihren Kopf zu bringen.
Ich glaubte allerdings nicht, dass das helfen würde, sonst hätte ich es vermutlich getan.
Ich stellte die Suppe beiseite, um sie etwas auskühlen zu lassen, und aß den gebratenen Hasen. Nichts ist mit frischem Fleisch zu vergleichen, wenn man so lange ohne es hat auskommen müssen. Am Knochen war es noch blutig und besonders saftig. Ich aß wie ein Wolf, ging ganz im Augenblick auf und in dem Gefühl des Fressens. Doch irgendwann hatte ich auch den letzten Knochen ins Feuer geworfen und dachte über den vor mir liegenden Abend nach.
Ich brachte den Suppenkessel ins Zelt. Der Narr war wach. Er lag auf dem Bauch und starrte in eine Ecke. Das lange Licht des Spätnachmittags fiel durch die Zeltwände herein und überzog ihn mit Farben. Ich hatte gewusst, dass er wach war. Die Erneuerung unseres Gabenbandes machte es unmöglich für mich, das nicht zu wissen. Seinen körperlichen Schmerz konnte ich größtenteils aussperren, seine geistige Qual jedoch nicht.
»Ich habe dir etwas zu essen gebracht«, sagte ich.
Als er nichts darauf erwiderte, fuhr ich nach kurzem Schweigen fort: »Geliebter, du musst essen und trinken. Ich habe auch frisches Wasser dabei.«
Ich wartete. »Ich könnte dir auch etwas Tee aufbrühen, wenn du willst.«
Schließlich holte ich einen Becher und goss die abgekühlte Brühe hinein. »Trink das einfach, und ich werde dich nicht mehr belästigen. Aber nur, wenn du das trinkst.«
Grillen zirpten in der hereinbrechenden Dämmerung. »Geliebter, ich meine es ernst. Ich werde dich nicht in Ruhe lassen, bevor du das nicht getrunken hast.«
Er sprach. Seine Stimme klang flach, und er schaute mich nicht an. »Könntest du bitte aufhören, mich so zu nennen?«
»Geliebter?«, fragte ich verwirrt.
Er zuckte ob des Wortes unwillkürlich zusammen. »Ja. Das.«
Ich saß einfach nur da, den Becher mit Brühe in beiden Händen. »Wenn es das ist, was du willst, Narr. Aber ich werde trotzdem nicht gehen, bevor du das nicht getrunken hast.«
Er bewegte sich im trüben Licht des Zelts, drehte den Kopf zu mir und streckte die Hand dann nach dem Becher aus. »Sie hat mich mit diesem Namen verspottet«, sagte er leise. »Oh.«
Unbeholfen nahm er mir den Becher ab, sorgfältig darauf bedacht, ihn nicht mit den Fingerspitzen zu berühren, wo die Nägel ausgerissen waren. Dann richtete er sich auf einen Ellbogen auf und zitterte vor Schmerz und Anstrengung. Ich wollte ihm helfen, wusste aber, dass ich ihm das nicht anbieten dürfte. Er trank die Brühe mit zwei kräftigen Schlucken und hielt mir dann zitternd den Becher hin. Ich nahm ihn, und der Narr ließ sich wieder auf den Bauch fallen. Als ich sitzen blieb, wies er mich müde darauf hin: »Ich habe sie getrunken.«
Ich nahm den Kessel und den Becher mit mir in die Nacht hinaus. Ich gab noch etwas Wasser in den Kessel und stellte ihn neben das Feuer. Bis zum Morgen konnte die Suppe ruhig ein wenig vor sich hin köcheln. Ich starrte ins Feuer, erinnerte mich an Dinge, über die ich nicht nachdenken wollte, und kaute auf meinem Daumennagel herum, bis er abriss. Ich verzog das Gesicht, blickte dann in die Nacht hinaus und schüttelte den Kopf. Ich konnte mich zurückziehen, indem ich zum Wolf wurde. Als Wolf war ich nicht gedemütigt worden. Als Wolf hatte ich meine Würde behalten und meine Macht über das Leben. Der Narr konnte sich nirgendwohin zurückziehen.
Ich hatte Burrich und seine ruhige, vertraute Art gehabt. Ich hatte die Einsamkeit und den Frieden des Wolfs. Ich dachte an Nachtauge, stand auf und ging auf die Jagd.
Das Glück von letzter Nacht hielt nicht an. Bei Sonnenaufgang kehrte ich ohne Fleisch ins Lager zurück, aber mit einem Hemd voll reifer Pflaumen. Der Narr war weg. Ein Teekessel stand neben dem Feuer. Ich widerstand dem Drang, seinen Namen zu rufen, und wartete beinahe geduldig neben dem Feuer, bis ich ihn den Pfad vom Bach heraufkommen sah. Er trug die Robe der Uralten, und sein Haar war nass und klebte am Kopf. Er humpelte und ließ die Schultern hängen. Nur mit Mühe hielt ich mich zurück und blieb am Feuer sitzen. Als er schließlich bei mir angelangt war, sagte ich: »Ich habe Pflaumen gefunden.«
Ernst nahm er sich eine und biss vorsichtig hinein. »Sie sind süß«, bemerkte er, als würde ihn das überraschen. Mit der Vorsicht eines alten Mannes setzte er sich auf den Boden. Ich sah, wie er mit
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