Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
hätte nie geheiratet und wäre im darauf folgenden Winter einem Fieber erlegen. Wärst du im richtigen Augenblick gestorben, wäre der Thron ohne Probleme an Edel gegangen. Er hätte die Gunst und die Führung seines Vaters genossen, und er wäre ein großer Herrscher geworden. Ja, die Linie der Weitseher wäre mit ihm zu Ende gegangen, aber es wäre ein großartiges Ende gewesen. Ein Ende in Frieden und Wohlstand für die Sechs Provinzen wie auch für die Äußeren Inseln. Ich habe keinen Grund, dich in dieser Hinsicht zu belügen. Es ist viel zu spät für diese Zukunft, welches Motiv sollte ich also haben?«
Ich wusste es nicht und dann doch wieder. Erneut regte sich die Gabe am Rande meines Bewusstseins. Sie war eine flüchtige, unzuverlässige Magie. Ich wusste das, hatte es immer gewusst. Die Bleiche Frau bestätigte mir das nur. Ich durfte ihr keinen Glauben schenken. »Du willst mich verwirren. Du widersprichst dir selbst und verdrehst die Wahrheiten, die ich kenne. Du verspottest mich.«
Wieder lachte sie, diesmal herzlich, ein kehliger, fröhlicher Laut. »Natürlich tue ich das - genau wie dein geliebter Narr. Und du liebst es, wenn er seine Worte um dich herum tanzen lässt und dir Hunderte von Möglichkeiten bietet, die Welt zu sehen. So will auch ich dich erfreuen, nun, da du mir gehörst, denn ich nehme dich mir. Das muss ich. Wir müssen zusammenarbeiten, und die Welt wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Diesmal nicht durch deinen Tod, sondern durch das Leben, das ich dir geben werde. Du wirst mein Katalyst werden, ein Katalyst tausendmal mächtiger als Kebal Raubart es war, und ich werde dir tausendmal mehr Freuden bereiten, als es dein armseliger Narr je getan hat. Wir werden nicht nur Prophet und Katalyst sein, sondern Mann und Frau. Wir werden das Ganze sein, das die Welt sich drehen lässt. Ich werde all das für dich sein, wonach er sich immer gesehnt hat, das er jedoch nie für dich hat sein können - nur dass ich so perfekt sein werde, wie er voller Fehler ist. Dabei wirst du feststellen, dass du ihn keineswegs verrätst, sondern dass du lediglich der Welt treu bist und allem, was sie sein sollte. Koste die Süße dieser Welt. Koste sie.« Ihr Gesicht war mir immer näher gekommen, während sie sprach, und dann berührte ihr Mund den meinen. Ihre Lippen waren wunderbar weich und ihre Zunge von einer neckischen Kühle, die meinen Mund zwang, sich zu öffnen. Und sie sprach die Wahrheit. Eine betörende Süße, wilder als alles, was ich je gekannt hatte, breitete sich bei ihrer kühlen Berührung in meinem Körper aus. Ich schauderte, als ich ihr die Hand auf die Schulter legte und ihren Mund an den meinen drückte.
Lust strömte durch mich hindurch, und das Gefühl der Unvermeidlichkeit dieses Augenblicks verdrängte alle anderen Gedanken. Es kümmerte mich nicht länger, dass ihre Wachen und Dienerinnen uns von außerhalb des Lichtkreises beobachteten. Nichts kümmerte mich mehr außer der schimmernden weißen Perfektion ihres Körpers. Nur eines fehlte noch in der Zukunft, die sie mir bot. Ich ließ meine Gedanken in diese Richtung wandern.
»Unser Kind wird wundervoll sein«, versicherte sie mir, als sie mich losließ und sich erhob. »Du wirst Freude an unserem Sohn haben. Das verspreche ich dir.«
Ich konnte die Wahrheit ihrer Worte fühlen, und sie erregten mich bis tief in meine Seele. Sie würde mir ein Kind geben, ein Kind, das ich in den Armen halten und lieben konnte. Ein Kind, das man mir niemals nehmen würde. Sie wusste, was ich mir am meisten wünschte, und das alles bot sie mir an. Sie schuf in meinen Gedanken eine Zukunft, nach der ich mich schon immer gesehnt hatte, eine Zukunft ganz nach meinen Wünschen. Wie und warum sollte ich mich dem widersetzen?
Die Bleiche Frau zog den Mantel aus und ließ ihn neben der Couch zu Boden fallen. Dann folgte die Seidenrobe. Sie stand vor mir und ließ das Licht des Kohlebeckens auf ihrem Körper spielen. Goldenes Licht berührte ihre Weiße, glitt über die Kurven ihres Leibes und über ihr Gesicht. Ihre weißen Brüste waren rund und schwer. Sie hob sie mit den Händen, zeigte sie mir und lud mich ein, sie zu schmecken. Langsam sank sie neben mir nieder, lehnte sich zurück und breitete ihre Arme und Schenkel für mich aus. »Komm zu mir. Ich kenne alles, was du dir je gewünscht hast, und ich werde es dir geben.« Sie bog den Kopf zurück, und ihre farblosen Augen blickten durch mich hindurch.
Die Wahrheit in ihren Worten
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