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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kleider wieder angezogen. Ihre Unterlippe war geschwollen, und mehrere Haarsträhnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und hingen nun herab. Das war alles, was ich mit meinem Angriff auf sie erreicht hatte. Dennoch amüsierte mich der Anblick ein wenig, als die Wachen mich grob packten, ohne auf meinen leblosen Arm zu achten. Die Mitleid erregenden Schreie des Narren folgten mir, als man ihn von der Wand losmachte.
    Die Gänge erschienen mir länger und weißer als zuvor. Als würde der Zorn der Frau, die vor uns her ging, das Licht heller brennen lassen. Wir begegneten nur wenigen Menschen, doch alle sprangen zur Seite und duckte sich, wenn die Bleiche Frau an ihnen vorüberkam. Ich versuchte, mir zu merken, wo wir langgingen und wo wir abbogen. Das würde nützlich sein, sollten wir die Flucht wagen. Doch es war sinnlos - sowohl die Mühe, mir den Weg zu merken, als auch die Hoffnung in mir am Leben zu erhalten. Es war vorbei. Wir waren am Ende. Der Narr würde sterben, und ich würde mit ihm sterben, und alles, wonach Vir gestrebt hatten, würde ein blutiges und sinnloses Ende nehmen. »Fast als wäre ich schon beim ersten Mal gestorben, als Edel mich angeschaut und Veritas vorgeschlagen hat, mich diskret zu beseitigen.«
    Mir war gar nicht bewusst, dass ich laut gesprochen hatte, bis eine der Wachen mich grob schüttelte und zischte: »Halts Maul!«
    Und wir gingen weiter. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, und noch schwerer, meine Furcht zu überwinden, doch ich senkte die Mauern, die ich gegen die Gabe errichtet hatte. Dann nahm ich all meine verbliebene Kraft zusammen und versuchte, Pflichtgetreu zu erreichen, um sie zu warnen und um Hilfe anzuflehen. Ich fühlte mich wie ein Mann, der sich die Kleider abklopft, um die Börse wiederzufinden, von der er nicht mehr weiß, wo er sie hingesteckt hat. Meine Magie war wieder verschwunden, und damit hatte ich auch meine letzte Waffe verloren.
    Die Bleiche Frau saß bereits auf ihrem Thron, als wir den Saal betraten. Ein paar ihrer Gefolgsleute standen an der Wand. Leidenschaftslos schauten sie zu, wie der Narr und ich zu ihrer Herrin geschleppt wurden. Dort angekommen, drückte man uns auf die Knie hinunter. Lange Zeit schaute die Bleiche Frau uns schweigend an. Dann deutete sie mit dem Kinn auf den Narren. »Gebt den dem Drachen. Er kann Theldos Platz haben. Den anderen lasst zusehen.«
    »Nein!«, schrie ich, und ein Faustschlag gegen mein Ohr warf mich aufs Eis. Der Narr gab keinen Ton von sich, als sie ihn vorwärtszerrten. Als sie bei einem der angeketteten Gefangenen angekommen waren, zog eine der Wachen geradezu beiläufig die Klinge und rammte sie dem armen Wesen in den Leib. Der Mann starb nicht schnell, aber er machte auch kein Spektakel daraus. Ich glaube, ein Großteil von ihm war schon in den Drachen übergegangen. Von seinem Geist war schlicht nicht mehr genug übrig, um das Ableben des Körpers zu betrauern. Er fiel gegen den Drachen, als er starb, und rutschte dessen steinerne Flanke hinunter. Ein paar Augenblicke lang war sein Blut als Fleck auf dem Stein zu erkennen. Dann, wie Wasser, das im Sand versickert, verschwand das Blut, und die Schuppen an dieser Stelle wiesen nun deutlich mehr Einzelheiten auf.
    Zwei Wachen machten sich sofort daran, den Leichnam loszuketten, wobei sie sorgfältig darauf achteten, den Stein nicht zu berühren. Einer von ihnen blickte zu seiner Königin, und auf deren Nicken hin trennte er dem Toten den Arm so sauber aus dem Gelenk, als würde er einen Fasan zum Essen vorbereiten. Den Arm warf er dann Kebal Raubart zu, und ich wünschte, ich hätte mich rechtzeitig abgewandt. Der wahnsinnige König streckte sich so weit es seine Ketten erlaubten, schnappte sich den blutigen Arm und fiel darüber her wie ein Hund über einen Fetzen Fleisch. Er war ein geräuschvoller Esser. Angewidert drehte ich mich weg.
    Doch so furchtbar dieser Anblick auch gewesen sein mochte, mich erwartete noch etwas Schrecklicheres. Meine Wachen verstärkten den Griff um meine Arme, und ein dritter Mann packte mich am Zopf. Der Narr wurde nach vorn gebracht. Er wehrte sich nicht. Sein Gesicht sah aus, als wäre er schon fast tot und könnte Schrecken und Schmerz nicht länger empfinden, sondern nur noch auf das Ende warten. Sie ketteten ihn mit Füßen und Händen an den Drachen. Indem er sich halb bückte, Knie und Ellbogen nach außen gedrückt, konnte der Narr zunächst den Kontakt mit dem durstigen Stein vermeiden. Die Haltung an sich

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