Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
verlöschende Kerze. Ihr habt es ja selbst gesehen. All ihr Wissen hätte sie bereits meiner Mutter geben sollen, doch meine Mutter ist nicht da. So tut sie weiterhin ihr Bestes und bemüht sich, trotz ihres Alters die Mutter für unser Haus zu sein. Ihr haltet sie vielleicht für erbärmlich. Dennoch wäre das Herz unseres Mütterhauses zerstört, sollte sie uns genommen werden. Meine Familie würde aufhören zu existieren. So wie es ist, leiden wir sehr unter der Abwesenheit meiner Mutter und der Uneinigkeit, die daraus entstanden ist. Was ist ein Mütterhaus ohne Mutter?«
Es war eine rhetorische Frage, doch der Prinz setzte sich plötzlich gerade auf. Steif fragte er: »Aber als du nach Bocksburg gekommen bist, um meine Frau zu werden, hättest du dann nicht das Mütterhaus verlassen... ? Ich meine, wer wäre die Große Mutter geworden, wenn es an dir gewesen wäre, diese Rolle zu übernehmen?«
Ein winziger Funken Zorn flammte in Ellianias Augen auf, und ihre Stimme klang verächtlich. »Meine Cousine sieht sich bereits in dieser Rolle, wie ihr ja selbst beobachten konntet. Sie versucht, anderen weiszumachen, dass es ihr Recht sei und nicht schlicht Zufall.« Eine Sekunde lang erkannte ich den Hitzkopf, den ich kurz auf ihrer Heimatinsel gesehen hatte. Dann stieß sie einen leisen Seufzer aus und hob hilflos die Hände. »Aber du hast Recht. Als ich eingewilligt habe, dich zu heiraten, habe ich alle Hoffnung aufgegeben, das zu werden, wozu ich geboren worden bin. Das ist der Preis, den ich für den Tod meiner Mutter und meiner Schwester zahlen muss, um so ihren Qualen ein Ende zu bereiten.« Sie sackte förmlich in sich zusammen, und ich sah Schweißperlen auf ihrer Stirn.
»Warum hat sie nicht
euch
befohlen, den Drachen zu töten? Oder warum tut sie es nicht einfach selbst?«, fragte Chade.
Peottre antwortete ihm darauf: »Sie hält sich für eine große Prophetin, die die Zukunft nicht nur sehen, sondern bestimmen kann. Während des Krieges hat sie gesagt, die Linie der Weitseher müsse vollständig ausgerottet werden, sonst würden sie die Drachen auf uns hetzen, wie sie es schon in alter Zeit getan haben. Einige glaubten ihr und haben versucht, ihren Willen zu erfüllen - doch sie sind gescheitert, und ihre Worte haben sich bewahrheitet. Ihr Weitseher habt den Zorn der Drachen gegen uns entfacht und unsere Schiffe und Dörfer zerstört.«
»Aber hättet ihr uns nicht mit euren Roten Schiffen angegriffen ...«, warf Pflichtgetreu wütend ein.
Peottre fiel ihm ins Wort. »Nun sagt sie, dass immer noch die Möglichkeit bestunde, uns zu retten. Sie sagt, unser Drache verdiene es zu sterben, denn er habe versagt und sich nicht erhoben, um uns zu verteidigen. Mehr noch, sie sagt, er verdiene es, durch die Hand eines Weitsehers zu sterben, da ihr der Feind seid, gegen den er uns nicht geschützt hat. Aber vor allem sagt sie, ein Weitseher müsse den Drachen erschlagen, weil sie es in ihren Visionen so gesehen habe. Damit alles so kommt, wie sie will, muss ein Weitseher es tun.«
»Womit wir einen guten Grund hätten, darüber nachzudenken, es nicht zu tun«, bemerkte Burrich leise zu mir.
Das Gehör des Prinzen war gut. In verbittertem Tonfall sagte er: »Doch der beste Grund, darüber nachzudenken, es nicht zu tun, ist schlicht die Tatsache, dass es vermutlich unmöglich ist. Ihr habt sicherlich bemerkt, dass einige in meiner Gruppe mittlerweile Zweifel an meiner Mission hegen. Je näher wir Eisfeuer gekommen sind, desto stärker konnten wir ihn fühlen - nicht nur das Leben, das noch in ihm ist, sondern auch seine Macht, seinen Geist. Jetzt habe ich herausfinden müssen, dass meine Freunde gegen mich gehandelt haben. Lord Schwarzwasser, Narcheska Elliania. Ich habe versagt. Meine eigenen Freunde haben eine Nachricht nach Bingtown gesendet, und die Händler werden ihren Drachen gegen uns schicken. Vielleicht befindet sie sich bereits auf dem Weg hierher.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Peottre. »Ich wusste, dass es Widerstand in Eurer Gruppe gibt, was das Töten des Drachen betrifft. Aber was ist das mit dem >Fühlen< ?«
»Ihr seid nicht die einzigen mit Geheimnissen, und dieses will ich zunächst einmal für mich behalten, so wie ihr uns verschweigt, wie die Bleiche Frau mit euch in Kontakt getreten ist. Sie hat Euch, Lord Schwarzwasser, angestiftet, Fi... Tom mit einem Kuchen zu vergiften, nicht wahr?«
Peottre setzte sich gerade auf und presste die Lippen zusammen. Pflichtgetreu nickte knapp. »Ja.
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