Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
desselben Kulturkreises, derselben Kirche, ja innerhalb derselben Konfession.
Wir beispielsweise fuhren in den Siebzigern mit unserer durchschnittlich evangelisch-lutherischen Familie in den Urlaub an die Nordsee und gingen dort dann auch gemeinsam zum Gottesdienst. Niemand von uns ahnte allerdings, dass man am Jadebusen während des Vaterunsers nicht aufsteht. Wir fünf hingegen taten es. Als einzige. Eine Ewigkeit standen wir da, mit knallrotem Kopf. Als das Vaterunser endlich vorbei war und wir uns erleichtert auf die Sitzbank fallen ließen, standen alle anderen auf. Zum Segen. Jetzt aber blieben wir sitzen. Und starrten zurück. Bis heute ist uns nicht klar, welche Strafe uns für dieses Fehlverhalten erwarten wird. Bzw. die anderen. Hölle, Hölle, Hölle, Hölle!
Die Religionen vermitteln unzählige unterschiedliche Bilder von Gott. Jede wiederum ist ihrerseits über die Jahrhunderte zu einer hochkomplexen Konstruktion mutiert, in der es für die verschiedensten Lebenslagen die unterschiedlichsten Regeln und Ausnahmen gibt, die eine gottesfürchtige, richtige Lebensführung quasi unmöglich machen. »Wie du es machst, machst du es verkehrt« – so lautet die Botschaft der Religion. Dies ist ein wunderbarer innerer Kosmos, den wir alle nutzen sollten, um dem Funktionalismus unserer rationalen Zeit ein wenig mehr Gefühl zu verleihen. Fürchten Sie sich sehr – wir haben sonst nichts.
ANGST VOR DEM BEIFAHRERSITZ
(Copilotophobie)
Beifahren ist immer furchtbar. Und zwar nicht nur auf dem Motorrad, sondern auch im PKW. Insofern löst jede bevorstehende Fahrt Ängste aus – und zwar auf beiden Seiten!
Wer selbst gern Auto fährt, wer womöglich grundsätzlich gerne die Kontrolle hat, wird auf dem Beifahrersitz furchtbar leiden. Denn eines ist klar: Er würde natürlich alles anders machen als der Fahrer. Der falsch schaltet, zu spät beschleunigt oder zu früh, zu grob ein- und auskuppelt, zu hochtourig fährt oder zu untertourig, zu früh ausschert oder zu spät. Grundsätzlich ist er zu schnell oder zu langsam, wie auch die Musik zu laut ist oder zu leise. Oder einfach nur schlecht. Und die Klimaanlage ist auch falsch eingestellt.
Der Fahrer macht einfach alles falsch. Der Beifahrer darf dies allerdings nicht zu intensiv thematisieren, da er dann entweder aus dem Wagen geworfen wird und die Reise womöglich per Anhalter wird fortsetzen müssen – ein Albtraum. Oder, noch schlimmer: Er muss mit der Bahn fahren! (siehe: Angst vor der Eisenbahn) Oder am schlimmsten: Er darf im Wagen bleiben, muss aber ertragen, dass er mit seinen Bemerkungen den Fahrer derart verunsichert und/oder aggressiv gemacht hat, dass ein Absprung während der Fahrt irgendwann als attraktive Option erscheint.
Also muss man sich überwinden: Man darf den grausamen Fahrstil und die schreckliche Musik nicht thematisieren, sondern muss lustige Anekdoten und Witze erzählen, sich über Politik oder über das Fernsehen aufregen o.Ä. Schlimmstes Fehlverhalten seitens des Fahrers dagegen muss schöngeredet werden, um ihn bei Laune zu halten und damit das eigene Überleben zu sichern.
Fürchten muss sich aber auch der Fahrer – davor, dass er keinen derart flexiblen und dienstbaren Copiloten an Bord hat. Insbesondere für Menschen, die ihre Beifahrer per Mitfahrzentrale suchen, ist das ein Glücksspiel. Im Idealfall hat der Begleiter den Charakter eines guten Hörbuchs: Riecht nicht, raucht nicht und hält auf angenehme Weise wach. Und im Gegensatz zum Tonträger zahlt er sogar noch dafür! Sollte es sich aber um einen Kontrollfreak handeln, wird der die geforderte Rolle nicht spielen, sondern macht die Fahrt zum Höllentrip. Ein solcher Macher fühlt sich nämlich ohne Lenkrad wie ein Clown. Wer am Steuer sitzt, ist der König. Der Beifahrer ist der Narr.
Wer nicht unter Kontrollzwang leidet, keine Fahrleidenschaft besitzt und daher nicht zwanghaft selbst steuern muss, sondern gern auch mal andere unterhält, wird sich auf dem Beifahrersitz vielleicht sogar wohlfühlen. Fürchten kann er sich dennoch: weil er in diesem Falle sicherlich unerfahren ist – im wahrsten Sinne des Wortes. Aufgrund seiner zu geringen Laufleistung wird ein solcher Beifahrer nämlich überfordert sein von der seltsamen Perspektive seines Platzes: Ein Überholmanöver wirkt auf der dem schlingernden polnischen Schwertransporter zugewandten Seite des Fahrzeugs deutlich bedrohlicher als vom Lenkrad aus.
Erst recht eine Gebirgsfahrt wird aus diesem Blickwinkel zu
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