Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
einem Erlebnis, da der Beifahrer in den Abgrund blickt, der Fahrer nicht. Das sind die einzigen Momente, in denen auch ein schweigsamer, übermüdeter oder schlecht gelaunter Mann am Steuer plötzlich seinerseits beginnt, Witze zu erzählen und den Gipfel der charmanten Unterhaltung zu erklimmen – parallel zu den Serpentinen. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken, sondern genießen Sie den Blick in die Tiefe!
ANGST VOR ÖFFENTLICHEN TOILETTEN
(Latrinophobie)
Die Angst vor öffentlichen Toiletten ist bei den meisten Menschen vor allem eine soziale: Fremde Menschen können einen unserer intimsten Vorgänge belauschen. Auf Herrentoiletten kann man ihn sogar sehen, befinden sich die Sichtblenden zwischen den Pissoirs doch meist in Kniehöhe. Hier geht es wohl weniger darum, einander nicht beobachten zu können, sondern vielmehr darum, urinales Überspringen und daraus entstehende chemische Reaktionen zu vermeiden.
Diskretion ist leider in öffentlichen Toiletten häufig unmöglich – wer einmal in der Kabine einer Autobahnraststätte auf dem leichtfertig mitgeführten Mobiltelefon ein geschäftliches Telefonat entgegennehmen musste, weiß, wovon hier die Rede ist. Und auch der Geprächspartner wird danach bestens über die Peristaltik des Kabinennachbarn unterrichtet sein.
Die zweite Angst ist eine hygienische: Unangenehm ist es, sich mit nackter Haut auf Gegenstände von unklarem Sauberkeitszustand zu setzen oder sie berühren zu müssen. Gut ausgebildete Phobiker warten daher, bis andere die Toilettenür öffnen, um durchzuschlüpfen. Oder entwickeln spezielle Techniken, um mittels Ellenbogen oder Handballen die Klinke zu bedienen. Oder führen Handschuhe mit.
Ein hohes Angstniveau beweist auch die Angewohnheit, Toilettenpapier auf die Brille zu legen, um sich auf diese Weise vor Infektionen zu schützen. Diese Blättchen haften allerdings nach dem Aufstehen hartnäckig am Hinterteil oder an den Schuhen und legen für alle Welt sichtbar Zeugnis ab von der eigenen Phobie. Spezielle Klobrillendesinfektionstücher sind ebenfalls ein wunderbares Requisit für Angstpatienten (siehe: Angst vor Krankenhäusern) .
Auch die ökologisch angeblich einwandfreien wasserlosen Toiletten sind gefährlich. Nicht nur, dass viele ältere Männer brutale Schmerzen fürchten müssen, da sie ohne das Geräusch fließenden Wassers ihre Prostata nicht motivieren können, das WC also unverrichteter Dinge wieder verlassen müssen – im sicheren Bewusstsein, dass es ihnen hinterher schlechter gehen wird als vorher. Auch der Vorgang des Hände»waschens« verkommt hier zu einer sinnlosen Aktion. In amerikanischen Schnellrestaurants gibt es aus ökologischen Gründen weder Wasser noch Flüssigseife noch Papierhandtücher. Man hält also seine Hand mit einem Sud, der aus drei Flocken Seifenpulver aus dem Spender und drei Tropfen Wasser aus dem Hahn (siehe: Angst vor Hühnern) gebildet wurde, unter das Gebläse des Trockners. Danach sieht sie aus wie etwas, das man auch im Drive-in bestellen kann. Vor allem aber hat man nach dem Waschen klebrigere Hände als vorher und möchte keinesfalls jemals wieder irgend etwas berühren, schon gar nicht die Türklinke. Man fühlt sich wie ein Kaugummi unter der Schulbank, wie ein wandelnder warmer Bakterienherd. Die Angst vor dem Waschen (Ablutophobie) ist hier völlig angebracht.
Hygienische Mängel auf öffentlichen Toiletten wecken die Furcht, sich eine Krankheit zuzuziehen. Leider fällt es den meisten von uns mangels entsprechender Ausbildung schwer, sicherzustellen, dass beim Verlassen des Toilettenraums (»so, wie Sie ihn vorzufinden wünschen«) keinerlei Bakterien oder Viren an Wasserhahn, Toilettensitz oder Türklinke verblieben sind. Deshalb sieht man immer öfter Fahrgäste, die ihren eigenen Putzeimer nebst Desinfektionsmitteln mit in den Zug nehmen. In der 1. Klasse führt man zusätzlich gern die eigene Putzfrau mit.
In Einkaufszentren dagegen wird jede Toilette durch mehrköpfiges Wachpersonal meist polnischer Herkunft gesichert, das auch schon dabei beobachtet wurde, wie es unrein wirkende Gäste einer chemischen Grundreinigung unterzog, bevor der Zutritt gestattet wurde. Diese und weitere Zwangsmaßnahmen lassen sich nur dadurch vermeiden, dass man einen finanziellen Obolus im oberen zweistelligen Bereich leistet. Es handelt sich hierbei um eine Art »Schmutzgeld«. Die räuberische Erpressung ist ein weiterer angstmachender Bestandteil öffentlicher Bedürfnisanstalten. Die
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