Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
Notdurft ist ein florierender Markt geworden.
Grundsätzlich muss in Deutschland jede Einrichtung, die Getränke ausschenkt, den Kunden die Möglichkeit geben, diese auch kostenlos wieder loszuwerden. Mittlerweile aber gibt es nur noch »Shopping Malls«, »Take aways« und »Do not stay here’s«. Keines der dort eingerichteten Restaurants, Coffee Shops, Cafés und Bäckereien verfügt noch über eine eigene Toilette. Vielmehr teilen sich alle ein »Cleaning Center« oder eine »Kacking Mall«, passenderweise meist im Untergeschoss. Es handelt sich dabei um einen Glaspalast mit Drehkreuzen und Sicherheitssperren wie am Kanzleramt. Dort muss man dann doch bezahlen. Nicht umsonst spricht man vom »großen Geschäft«: Der Kunde ist nicht König, sondern er hat Druck. Er muss. Eine hervorragende Voraussetzung für einen satten Gewinn.
Perfektioniert hat dieses Business natürlich »Sanifair«, ein extrem entwürdigendes und zudem sexistisches Gutscheinsystem an den deutschen Autobahnraststätten. Frauen gehen bekanntlich erst zur Toilette, trinken danach Kaffee und können so den am Drehkreuz erhaltenen Gutschein bei der Bezahlung einsetzen. Wir Männer machen das leider umgekehrt: Wir trinken erst Kaffee, zahlen und gehen dann pinkeln. Um anschließend dumm mit dem Gutschein vor der Tür zu stehen. Geschäftsreisende mit einer Laufleistung von jährlich mehr als 12000 Kilometern bringt das zur Verzweiflung. Es soll schon Männer gegeben haben, die ihre Familien sonntags auf die Autobahnraststätte Vierwinden, Pforzheim oder Darmstadt zum Essen ausgeführt haben. Und, wenn die Rechnung kam, einen Koffer mit Sanifair-Bons herausholten, ihn der Kellnerin in die Hand drückten und sagten: »Der Rest ist für Sie!«. Leider mussten sie bei der Gelegenheit feststellen, dass diese sogenannten Gutscheine nur etwa zehn Minuten gültig gewesen waren.
Der Druck bei der Nutzung öffentlicher Toiletten ist immens, nicht nur, aber auch finanziell. Ein echter Geizkragen wird daher am Bahnhof schnell in einen wartenden Zug springen, um auszutreten. Weil das noch umsonst ist. Allerdings geht er dabei das Risiko ein, den Zug nicht rechtzeitig wieder verlassen zu können. Für Angstanfänger mag dies aber eine akzeptable Ausgangsübung sein.
ANGST VOR DEM ALTERN
(Gerontophobie)
Die Angst vor dem Altern wächst interessanterweise parallel zu unserer Lebenserwartung. Da Jugendlichkeit und Makellosigkeit zu Fetischen unserer Kultur geworden sind, mutet es grausam an, dass immer mehr Menschen immer länger bleiben und der eigenen stetigen Entwertung teilweise jahrzehntelang ohnmächtig beiwohnen müssen. Denn bekanntlich steht die deutsche Alterspyramide auf dem Kopf. Wir sterben aus – aber eben nicht schnell genug.
Um die Angst vor dem Altern auszubilden, sollte man sich die fortschreitende Gerontisierung unseres Landes im Detail vor Augen führen. Sehr effektiv ist der Besuch von Orten wie z.B. Emmerich – eine von mittlerweile vielen Städten in Deutschland, in denen die Zahl der Rentner die der noch fortpflanzungs- und gehfähigen Einwohner übersteigt; insbesondere durch Ansiedlung von betreuten Wohnanlagen, Altersheimen und Seniorenstiften. Paradoxerweise ist die Investition in das Alter für viele Städte die einzig noch zukunftsträchtige, handelt es sich doch bei Rentnern um die einzige wachsende Bevölkerungsgruppe. Nur hier sind noch Subventionen abzugreifen.
Wer sich durch solch einen Ort bewegt, das Röcheln aus den Hausfluren auf sich wirken lässt und die vergessenen Rollstuhlfahrer in den Parks, wer die Gespräche des Betreuungspersonals in der Raucherpause belauscht und einmal ein Rollatorenrennen besucht hat, der wird Angst vor dem Altern empfinden. Die weiter zu erwartenden Kürzungen im Renten-, Pflege- und Gesundheitsbereich machen diese Vorstellung noch wesentlich furchtbarer (siehe: Angst vorm Kommunismus; Angst vor Krankenhäusern) .
Altern ist für den Menschen zunächst einmal schlicht unangenehm, ist es doch mit vielen praktischen Nachteilen verbunden. Die körperliche Leistungsfähigkeit lässt nach. Und die Attraktivität auch. Männer können das noch eine zeitlang durch Status- und Machtsymbole kompensieren (Mercedes, Mitgliedschaft im Golfclub, Goldene Wandernadel), aber irgendwann hat sich ihre Impotenz doch herumgesprochen. Dann verwahrlosen sie schnell, tragen uralte Trainingsanzüge und müssen ertragen, dass aus ihrem Körper überall Flüssigkeiten austreten. Und zwar ohne Lustgefühle.
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