Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
man die intellektuellen Leistungen unseres konservativen und neoliberalen Führungspersonals bedenkt. Sofern es sich dabei überhaupt um deren geistiges Eigentum handelt. Ihre Ohnmacht ist das Einzige, was diese Politiker mit ihren Wählern teilen. Daher sollten wir ihnen helfen bei der Bewältigung dieser übermenschlichen Aufgaben.
Liebe Leserinnen und Leser: Sie sollten überprüfen, ob Sie Ihrerseits schon weit genug gegangen sind. Oder ob sie noch leichtfertig dem sich als Sozialstaat tarnenden Kommunismus vertrauen. Trauen Sie sich mehr Angst zu! Ihr Ziel sollte die Staatsparanoia der Tea-Party-Anhänger in den USA sein – nur ohne den religiösen Fanatismus.
Also: Treten Sie unbedingt aus der Kirche aus! Dadurch höhlen Sie die Finanzierung sozialer Dienstleistungen durch diesen Träger aus und verschieben deren Kosten auf die nachfolgende Generation. Achten Sie überhaupt darauf, möglichst wenig Steuern zu bezahlen, am besten gar keine. Schulen Sie zur Not um und erlernen Sie einen handwerklichen Beruf oder eröffnen Sie eine Kneipe. Beides bedeutet Schwarzarbeit Steuerfreiheit. Schicken Sie Ihre Kinder auf eine elitäre Privatschule – monatlich 1000,– Euro sollten Sie sich das Minimum kosten lassen. Die Gebühren bezahlen Sie natürlich nicht, sondern lassen sie in die anschließende Privatinsolvenz einfließen. Nutzen Sie keinesfalls öffentliche Verkehrsmittel und wenn, dann ohne Fahrschein. Und bleiben Sie sitzen, wenn eine Schwangere oder ein tattriger Greis einsteigt – die sollen ruhig stehen. Leeren Sie die Hotelminibar, füllen Sie die Flaschen mit Urin wieder auf und stellen Sie sie zurück. Sollte das auffallen und das Hotel die zu diesem Zwecke hinterlegte Kreditkarte belasten wollen, melden Sie sie einfach als gestohlen. Schaffen Sie sich einen Computer mit drahtlosem Netzwerkzugang an, damit Sie keinen eigenen Telefonanschluss finanzieren müssen. Auch Strom und Kabelfernsehen kann man sich mit ein wenig handwerklichem Geschick kostenfrei aus der Nachbarschaft besorgen. Zahlen Sie keine Müllgebühren, sondern werfen Sie Ihren Unrat auf die Straße. Für Sperrgut gibt es Autobahnparkplätze. Und nehmen Sie Vergünstigungen und Sozialleistungen in Anspruch, die Ihnen nicht zustehen – für Behinderte, Kinderreiche etc. Missachten Sie Warteschlangen, -nummern und -listen – also alles, was nach dem kommunistischen »Gerechtigkeitsprinzip« funktioniert. Drängeln Sie sich vor. Ellbogen raus! Denken Sie an die neoliberale Interpretation der Französischen Revolution: Freihandel – Ungleichheit – Brüderle!
Dann wird eines Tages endlich Freiheit unser Land bestimmen: Schulen werden nicht mehr renoviert, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr betreiben rumänische Schleuserbanden, 30 cm tiefe Löcher in Bundesstraßen werden nicht mehr beseitigt, sondern als Schicksalsschläge hingenommen, Fassaden öffentlicher Gebäude werden nicht mehr erneuert, öffentliche Krankenhäuser an amerikanische Schönheitschirurgen veräußert, die Stadtreinigungen an neapolitanische Subunternehmer ausgelagert, Universitäten werden per Drittmittel aus der Wirtschaft finanziert werden und sich dafür durch die günstige, kontrollfreie Vergabe von Doktortiteln revanchieren. Und wer ärztliche Behandlung erhält, wird von Hedgefonds bestimmt.
Dann leben wir endlich in einer freien Welt! So wie die FDP sie sich wünscht. (Komisch nur, dass die öffentliche Infrastruktur genauso aussieht wie in der DDR. Schrott-Sozialismus aus Angst vor dem Kommunismus – eine ironische Pointe der Weltgeschichte.)
ANGST VOR DEM ZAHNARZT
(Dentistophobie)
Häufig gelingt es uns leider nicht, Angst zu empfinden, obwohl es möglich wäre. Stattdessen unterdrücken wir dieses herrliche Gefühl und werden abgestumpft, gleichgültig oder unterkühlt. Beispielsweise fürchten wir uns nicht genug vor dem Zahnarzt. Und das nur aus angeblicher Einsicht in die Notwendigkeit des Besuchs bei ihm. Das ist bedauerlich.
Um diese Form rationaler Selbstkontrolle aufzubrechen, macht es Sinn, zunächst überhaupt irgendein Gefühl zu wecken. Dabei kann es sich auch um Wut handeln oder um Trauer. Wenn man erst einmal emotional angesprochen ist, befindet man sich schon auf gutem Weg zur Sorge und schließlich zum Königsgefühl, der Angst.
Dankenswerterweise ist vielen Zahnärzte die bedenkliche Furchtlosigkeit ihrer Patienten aufgefallen. Daher versuchen viele Dentisten, ihr Publikum durch eine komplexe Ansprache zunächst in einen
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