Die 39 Zeichen 01 - Die Katakomben von Paris
innerhalb von zweihundert Jahren nicht geändert haben?«
Amy hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Wahrscheinlich hatte Nellie recht. Vielleicht hatten die Viertel damals, als Franklin in Paris gelebt hatte, noch gar keine Nummern gehabt. Und Straßen und Hausnummern hatten sich mit Sicherheit geändert, dann würde Franklins Hinweis keinen Sinn mehr ergeben.
Aber hätte Grace sie auf eine Mission geschickt, die niemals beendet werden konnte?
Warum nicht?, fragte eine gekränkte Stimme in ihrem Kopf. Grace hat uns ja auch nie selbst von der Suche nach den 39 Zeichen erzählt. Wenn Dan auf diesem Gleis gestorben wäre, dann wäre es Grace’ Schuld gewesen.
Nein, entschied sie. Das stimmte nicht. Grace musste einen Grund gehabt haben. Die Nummern mussten sich auf etwas anderes beziehen. Amy hatte nur eine einzige Idee, wie sie das herausfinden konnte - das, was sie immer tat, wenn sie auf ein unlösbares Problem stieß. »Wir brauchen eine Bibliothek.«
Nellie redete mit dem Kellner auf Französisch, und er schien zu verstehen, was sie wollten.
» Pas de problème «, sagte er.
Er zeichnete auf eine frische Serviette eine Wegbeschreibung und schrieb den Namen einer Metrostation dazu: École Militaire .
»Wir müssen uns beeilen«, rief Nellie. »Er sagt, dass die Bücherei um sechs Uhr schließt.«
Eine halbe Stunde später kamen sie klamm und noch immer nach Katakomben riechend in der American Library von Paris an.
»Perfekt«, sagte Amy. Das alte Gebäude hatte schwarze Metallschranken an den Türen, doch sie waren immerhin geöffnet. Als sie hineinspähte, sah Amy Bücherstapel und viele bequeme Sessel, in denen man stundenlang lesen konnte.
»Warum sollten diese Leute uns helfen?«, fragte Dan. »Ich meine, wir haben ja nicht mal einen Bibliotheksausweis oder so was.«
Doch Amy erklomm bereits die Stufen. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich absolut selbstsicher. Dies hier war ihre Welt. Hier wusste sie genau, was zu tun war.
Die Bibliotheksangestellten eilten ihr zu Hilfe wie Soldaten, die einem Kriegssignal folgen. Amy sagte ihnen, dass sie Informationen über Benjamin Franklin suche, und innerhalb von Minuten saßen Amy, Dan und Nellie an einem Tisch in einem Konferenzraum, wo sie Reproduktionen von Schriften Franklins begutachteten. Manche von ihnen waren so selten, dass die Bibliothekare ihr sagten, die einzigen Kopien davon existierten in Paris.
»Hey, hier ist eine Einkaufsliste«, murmelte Dan. »Wow.«
Er wollte sie gerade beiseitewerfen, als Amy ihn am Handgelenk packte.
»Dan, man weiß nie, was wichtig ist. Damals gab es nicht so viele Geschäfte. Wenn man etwas kaufen wollte, musste man dem Kaufmann eine Bestellung schreiben, der die Sachen dann einschiffte. Was hat Franklin gekauft?«
Dan seufzte. »›Bitte das Folgende schicken: 3x - Anleitung zur Herstellung von Cider von Cave; 2x - Nelson über die Kinderregierung , 8 Bde., von Dodsley; 1 Maß - Eisenlösung; Briefe eines russischen Offiziers …‹«
»Moment mal«, sagte Amy. »›Eisenlösung‹. Wo habe ich das vorher schon gehört?«
»Das stand auch auf einer anderen Liste«, erklärte Dan, ohne zu zögern, »in einem der Briefe, die wir uns in Philadelphia angesehen haben.«
Amy runzelte die Stirn. »Aber Eisenlösung ist kein Buch. Diese ganze Liste besteht nur aus Büchern, außer dieser einen Sache.«
»Was ist Eisenlösung überhaupt?«, fragte Dan.
»Oh, Leute, das weiß ich!«, mischte sich Nellie ein. Sie hielt die Hände vor sich und schloss die Augen, als würde sie sich an die Antwort für einen Test erinnern. »Es ist so was wie eine chemische
Lösung, richtig? Man braucht sie für Metallarbeiten und in Druckereien und bei einer Menge anderer Dinge.«
Amy starrte sie an. »Woher weißt du das?«
»Hey, letztes Semester habe ich Chemie belegt. Ich erinnere mich dran, weil der Professor darüber erzählte, wie man professionelle Kochgeräte herstellt. Franklin hat Eisenlösung aber wahrscheinlich für die Farben seiner Druckmaschinen benutzt, als er noch als Drucker arbeitete.«
»Das ist wirklich toll«, murrte Dan. »Nur dass es völlig unwichtig ist! Können wir jetzt zu den Koordinaten im magischen Quadrat zurückkommen?«
In Amys Hinterkopf arbeitete es immer noch. Ihr war, als würde nur noch ein Puzzleteil fehlen, doch sie kam nicht darauf, was es war. Also machte sie sich an die restlichen Dokumente. Schließlich entfaltete sie ein riesiges vergilbtes Papier, das sich als eine alte
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