Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt
erkannte, dass er einen neuen Helden gefunden hatte.
»Jetzt seid ihr dran.« Plötzlich sah Shep sie mit seinen blauen Augen durchdringend an. »Was macht ihr in Australien? «
Amy antwortete schnell, ehe Dan etwas sagen konnte. Es war nicht so, dass sie Shep nicht vertrauten, doch für ihn war es besser, wenn er nichts über die Jagd nach den 39 Zeichen erfuhr.
»Wir sind auf Urlaub hier«, erklärte sie. »Und wir erforschen unsere Familiengeschichte für ein Schulprojekt. Hast du schon mal von Bob Troppo gehört?«
»Kenne ich nicht. Lebt er in Sydney?«
»Nein, das war ein berühmter Verbrecher, der vor langer Zeit gelebt hat, Ende des neunzehnten Jahrhunderts«, erzählte Dan. »Der hatte gruselige Narben im Gesicht. Er saß in Sydney im Gefängnis und floh ins Outback.«
»Wohin genau?«, wollte Shep wissen. »Das Outback ist ziemlich groß, weißt du. Viele Tausend Quadratkilometer. Australien besteht zu fast drei Vierteln aus Busch.«
Amy und Dan sahen einander ratlos an. Das hatten sie nicht gewusst.
»Sieht nicht so aus, als hättet ihr besonders viele Anhaltspunkte«, sagte Shep. »So ist es mir am liebsten. Auf die Art erfährt man mehr.«
»Aber wo fangen wir an?«, fragte Amy.
»Na ja, ich habe einen Kumpel, der Outback-Touren anbietet, hauptsächlich im Red Centre«, sagte Shep. »Uluru, Coober Pedy, Alice Springs.«
Dan und Amy hatten keine Ahnung, von was er da sprach. Shep nahm das Handy aus seiner Westentasche heraus. »Ich kann ihn mal anrufen und fragen, ob er etwas über euren Bob Troppo weiß.« Er wählte, horchte eine Weile, zuckte dann die Schultern und legte wieder auf. »Er geht leider nicht ran. Jeff
kennt sich mit seiner Mailbox nicht besonders gut aus, aber irgendwann meldet er sich schon wieder.«
Aber so lange konnten sie nicht warten.
»Du hast also ein Flugzeug«, begann Dan interessiert.
»Das ist echt cool«, bestärkte Amy.
Shep lachte. »Wartet mal, ich glaube, ich weiß, worauf ihr rauswollt. Ihr wollt, dass ich euch ins Outback fliege! Ich kann nach meinem Kumpel suchen, und ihr könnt schauen, was ihr sonst noch findet!«
»Wir wollen dich natürlich zu nichts zwingen«, wiegelte Amy ab.
»So schlimm war es eigentlich gar nicht, bei einer bösartigen Tante aufzuwachsen«, fügte Dan noch hinzu. »Abgesehen davon, dass sie uns im Keller eingeschlossen hat.«
Shep verdrehte die Augen, doch dann wurde sein Gesicht ernst. »Ich war wohl kein besonders guter Onkel, oder?«
»Nicht so schlimm«, meinte Dan. Amy war klar, dass Shep in Dans Augen überhaupt nichts falsch machen konnte.
Shep räusperte sich. Er stand auf und stellte die Teetassen aufs Tablett. »Na ja«, zögerte er, »wenigstens kann ich fliegen.«
Dan brach in Jubel aus. »Soll das heißen, du machst es? Du fliegst uns 1000 Kilometer oder so durch die Gegend, und das nur, weil wir dich darum gebeten haben?«
»Mehrere Tausend. Willkommen in Australien, Kumpel«, sagte Shep grinsend und verschwand pfeifend nach drinnen.
Dan beugte sich zu Amy hinüber. »Wir hätten ihn als Vormund bekommen sollen. Stattdessen haben sie uns Tante Beatrice, die Schreckliche, aufs Auge gedrückt. Das Leben ist ungerecht.«
Nellie lachte. »Schicksal, Kleiner. Aber wenigstens habt ihr ja mich, Nellie die Großartige.« Nellies Handy klingelte und sie nahm, noch lachend, das Gespräch an. Während sie lauschte, wurde ihr Gesichtsausdruck ernst. Sie legte die Hand auf die Muschel. »Es ist Ian Kabra«, sagte sie zu Amy. »Er will dich sprechen.«
Siebtes Kapitel
Amy spürte die Blicke der anderen auf sich, als sie das Handy nahm. Ihr Gesicht wurde heiß, und sie drehte sich um, damit Dan es nicht sah. »W-w-was willst du, Ian?« Wie sie diese Stotterei hasste! Sie presste die Lippen aufeinander und nahm sich fest vor, dass es nie wieder vorkam.
»Was ist das denn für eine Begrüßung«, sagte Ian mit seinem aalglatten britischen Akzent. »Aber wahrscheinlich habe ich es nicht besser verdient.«
»Nein, du hast Schlimmeres verdient«, erwiderte Amy.
»Ich weiß. Ich habe dir schreckliche Sachen angetan. Aber wir stehen im Wettbewerb. Von meinem Vater habe ich gelernt, dass es nur darum geht, zu gewinnen«, versuchte Ian sein Verhalten zu erklären. »Ich höre ihn noch, wie er mal nach einem Kricketspiel gesagt hat: ›Ian, es ist mir egal, ob du gut gespielt hast. Ist dir nicht aufgefallen, dass deine Mannschaft verloren hat? Wenn du meinst, dass ich dir jetzt auf die Schulter klopfe, dann hast du dich
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