Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt
fürchten musst, wie ich schon gesagt habe. Glaubst du, dass die Person, die deine Eltern umgebracht hat, auch nur eine Sekunde zögern würde, dich zu töten?«
»Ich glaube kein Wort von dem, was du da sagst«, sagte Amy bestimmt. »Ich glaube, du versuchst mich einzuschüchtern und zu beeinflussen.«
Auf Irinas Gesicht machte sich entweder Wut oder Verbitterung breit, Amy wusste nicht genau, was von beidem es war.
»Mädchen, pass auf. Du solltest dich wirklich fürchten.« Sie zögerte. »Was, wenn ich dir einen kleinen Hinweis geben würde, damit du weißt, dass ich die Wahrheit sage? Okay?«
»Wo ist der Haken?«
»Kein Haken«, sagte Irina ungeduldig. »Hör zu. Früher oder später wirst du einen Hinweis bekommen, der dich in die New Yorker U-Bahn führen wird. Das Zeichen ist in einer Wand, genauer gesagt, hinter einer Kachel versteckt. Es ist die Haltestelle der Linie 6 an der 17. Straße. Ich weiß, was du sagen willst: Irina, die Linie 6 hält nicht an der 17. Straße. Aber genau deshalb ist der Hinweis auch so schwer zu finden. Es ist übrigens Rosmarin. Ein Zweig.«
»Warum sollte ich dir das glauben?«
Irina zuckte mit den Schultern. »39 Zeichen, und ich verrate eines. Na und? Keine große Sache, würdest du sagen. Wenn du mir dadurch vertraust, ist es das wert.«
»Ich könnte dir in einer Million Jahren nicht vertrauen«, entgegnete Amy.
»Ich bitte auch nicht darum, dass du es in einer Million Jahre tust oder nie oder für immer«, fuhr Irina sie an. »Ich verlange nur einen einzigen Tag. Heute.«
»Warum tust du das?«, wollte Amy wissen. »Wenn der Hinweis stimmt, hast du gerade deinen Familienzweig betrogen.«
Irina zuckte zusammen. »Ich tue das für meinen Familienzweig.
Ich hoffe, das wird eines Tages klar werden.« Sie schloss die Tür auf. »Geh nach rechts bis zum Ende der Gasse. Geh schon.«
Amys Beine zitterten, als sie auf die Straße trat. Sie befand sich in einer dunklen, engen Gasse. Weiter vorne konnte sie das Sonnenlicht sehen. Als sie an der nächsten Straßenkreuzung angekommen war, blickte sie sich um. Irina war verschwunden.
Hatte einer ihrer größten Feinde sie wirklich einfach so gehen lassen?
Amy zögerte. Konnte sie Irina wirklich vertrauen? Plötzlich war sie vor Angst wie gelähmt. Ihre Eltern waren ermordet worden. Es stimmte also. Wurde sie gerade jetzt im Moment beobachtet? Wenn Irina gelogen hatte, hatte sie ihr bestimmt auch eine Falle gestellt. Dann würde ihr sicher jemand direkt bis zu Sheps Haus folgen, wenn sie sich hier ein Taxi rufen oder in einen Bus steigen würde. Wo auch immer das sein mag , hatte Irina gesagt. Sie wussten es also noch nicht.
Aber wenn Irina die Wahrheit gesagt hatte, ging sie Isabel geradewegs ins Netz.
Einige Passanten, die an ihr vorbeikamen, blickten sie neugierig an. Sah man ihr etwa an, wie verwirrt sie war? Sie zwang sich weiterzugehen. Als sie zur nächsten Kreuzung kam, sah sie, dass es nur noch wenige Häuserblocks bis zum Museum waren. Eine Fähre fuhr unter der Harbour Bridge hindurch in den Hafen.
Vielleicht konnte sie so entkommen. Wer würde schon erwarten, dass sie den Wasserweg nehmen würde?
Amy sah die Fähre näher kommen. Sie hatte es nicht weit
und könnte mit Leichtigkeit in der Menge untertauchen und an Bord gehen.
So schnell sie konnte, rannte das Mädchen zum Anleger. Die Passagiere gingen bereits an Bord, aber sie würde es noch rechtzeitig schaffen.
Plötzlich tauchte ein Schnellboot neben der Fähre auf und hielt direkt auf den Anleger zu. Der Motor wurde abgestellt und das Boot schaukelte nur Zentimeter vom Anleger entfernt auf den Wellen. Der Junge am Bug sprang direkt vor Amy an Land.
»Da bist du ja!«, rief Ian.
Isabel winkte ihr vom Boot aus zu. »Amy! Los, komm an Bord!«
Amy blickte sich um. Irina stand am Ende des Docks und verstellte ihr den Rückweg zum alten Hafenviertel. Sie trug eine Sonnenbrille und Amy konnte ihr Gesicht nicht erkennen.
Sie war so ein Idiot. Irina hatte das alles geplant und sie war darauf reingefallen. Wahrscheinlich war sie schon die ganze Zeit hinter ihr gewesen und hatte Isabel per Handy Bericht erstattet.
Ian hakte sich bei ihr unter. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist«, murmelte er. »Wir haben uns viel zu erzählen.«
Isabel winkte ihr vom Steuerrad des Bootes aus zu. »Ist das nicht ein wunderschöner Tag?«
Amy wusste, dass sie keine Chance hatte. Sie war direkt in die Falle getappt. Also schüttelte sie Ians Arm ab und kletterte an
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