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Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt

Titel: Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Watson
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müsst. Und solange ihr das nicht könnt, seid ihr schutzlos ausgeliefert.«
    »Wem?«

    »Jedem, der euch sagt, was ihr hören wollt«, erklärte Irina. »Ich frage dich deshalb noch einmal. Was geschah in der Nacht des Brandes?«
    Sie atmete keuchend in das kalte, nasse Handtuch, das Mama ihr über den Mund gelegt hatte. Mama hielt ihre Hand ganz fest. Sie konnte die Flammen hören, aber nicht sehen. Alles war voller Rauch. Dan weinte in den Armen seiner Mutter .
    »Ich erinnere mich nicht! Ich war noch ein kleines Kind!« Die Angst riss ihr die Worte aus der Kehle. Angesichts der vergangenen Bilder, die in ihrem Kopf auftauchten, wurde ihr schwindlig und übel.
    »Das ist merkwürdig«, murmelte Irina, deren Blick sich plötzlich im Nichts verlor. »Ich erinnere mich noch ganz genau, wie alles war, als ich sieben war. An dem Tag, an dem ich in den Straßen von St. Petersburg von meiner Mutter getrennt wurde … Ich erinnere mich an meinen Mantel, an meine Schuhe, an die Farbe des Flusses, an ihren Gesichtsausdruck, als sie mich fand …«
    »Das freut mich für dich«, unterbrach Amy sie.
    »Hattet ihr in jener Nacht Besuch?«, hakte Irina nach. »Hast du etwas gehört? Ist deine Mutter nach oben gekommen, um dich zu holen? Wie bist du aus dem Haus gekommen?«
    »Hör auf!«
    Sie kämpften sich die Treppe hinunter. Papa war in seinem Arbeitszimmer und warf Bücher auf den Boden.
    »Bring die Kinder raus!«, schrie er.
    »Papa!«, kreischte sie. Sie breitete die Arme aus und er hielt einen Augenblick inne.
    »Engelchen«, sagte er, »geh mit Mama.«

    »Nein!« Sie schluchzte, als ihre Mutter sie von ihm wegzog. »Nein! Papa!«
    »Nein«, flüsterte Amy. »Nein.«
    »Die schlechten Erinnerungen schieben wir beiseite«, sagte Irina. Schwere Traurigkeit lag in ihrer Stimme. »Wir reden uns ein, dass es besser ist, wenn wir uns nicht daran erinnern. Aber das ist es nicht. Es ist viel besser, sich an alles zu erinnern, auch an den Schmerz.«
    »Was willst du eigentlich von mir?«
    Irinas leerer Blick heftete sich wieder funkelnd auf Amy. »Komm. Uns läuft die Zeit davon. Wir sind hier an einem Lucian-Treffpunkt. Sobald sie merken, dass wir beide vermisst werden, wird es nicht lange dauern, bis Isabel hier nach uns sucht.«
    Sie gingen weiter. Amy hatte den Eindruck, dass das Schwarz um sie herum grauer wurde. Näherten sie sich dem Ende des Tunnels? Wenn es so war, war sie gern bereit, loszurennen. Da spürte sie, dass etwas an ihr vorbeiwischte, und erschrak.
    »Nur eine Ratte«, beruhigte Irina sie. »Gehört wahrscheinlich zur Familie, nicht wahr? Eine Ratte, die das Blaue vom Himmel herunter lügt.«
    »Es reicht!« Amy platzte nun endgültig der Kragen. »Wenn du mich schon weder umbringen noch entführen willst, dann komm wenigstens endlich zur Sache.«
    Sie standen vor einer Tür und Amy blickte auf das schwere Eisenschloss. Ohne Irinas Hilfe kam sie hier nicht heraus.
    Die stand aber mit dem Rücken zur Tür. »Okay, ich will ehrlich mit dir sein. Isabel wollte dich treffen, stimmt’s?«
    »Nein, es war Ian.«

    Irina machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ian ist nur der Lockvogel. Sie glaubt, dass du so dumm bist, angerannt zu kommen, wenn er dich darum bittet. Deshalb hat sie ihn als Köder ausgesucht. Sie weiß, dass du kommen wirst, weil du wissen willst, wer deine Eltern umgebracht hat.«
    »Weiß sie es denn?«
    Irina zuckte mit der Schulter. »Das ist die falsche Frage. Die richtige lautet: Wird sie dir überhaupt die Wahrheit sagen? Natürlich nicht. Sie wird dir eine Lüge auftischen, um dich milde zu stimmen, und dann wird sie dir ein Angebot machen.«
    »Und du glaubst, ich bin so dumm, darauf hereinzufallen?«
    Irina wackelte mit dem Zeigefinger hin und her. » Njet , du Dummchen. Du bist doch gerade hier bei mir, weil ich weiß, dass du klug bist. Du musst wissen, dass Isabel, wenn sie ihren Willen nicht bekommt, ziemlich … unvernünftig sein kann. Wenn du das Angebot ablehnst, wird das schlimme Folgen für dich haben.«
    »Was also soll ich tun?«, fragte Amy.
    »Geh nicht hin. Du brauchst ihre Version jener Nacht nicht. Du hast deine eigene. Such danach.« Irina zeigte zur Tür. »Die hier führt zu einer Straße drei Häuserblocks vom Hafen entfernt. Dort wird dich niemand beobachten. Du kannst hier direkt in den Bus steigen oder dir ein Taxi nehmen und in deine Unterkunft zurückkehren, wo auch immer die sein mag.«
    »Wieso sollte ich?«
    Irina seufzte. »Weil du die richtigen Sachen

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