Die 39 Zeichen 06 - Gefahr am Ende der Welt
Lederjacke finden. Er brachte sie Amy, die sie sich dankbar umlegte.
»Was ist denn passiert?«, fragte Dan erschrocken.
»Sie haben mir nichts getan. Ich meine, wenn sie mich ins Wasser geworfen hätten, mit dem ganzen Blut und den Haien, wer weiß, was dann passiert wäre. Aber dann ist Hamilton mit dem Gleitschirm gekommen, und …«
»Was?«, rief Nellie und Dan schrie: »Haie?«
Rasch berichtete Amy, wie Irina sie vor Isabel gewarnt hatte, sie dann aber doch am Ende auf dem Boot gelandet war. Sie erzählte, dass Isabel ihnen den Schutz der Lucians angeboten hatte und wie sie auf Amys Abfuhr reagiert hatte. Als sie bei jenem Teil der Geschichte angekommen war, wie Isabel ungerührt die Fischteile ins Meer geworfen hatte, wurde Nellie kreidebleich. Doch es war seltsam: Während Amy alles erzählte, ließ das Zittern nach und die Angst wich von ihr.
Sie ließ fast nichts aus, auch nicht den Hinweis mit dem Rosmarinzweig, den Irina ihr gegeben hatte. Aber das Wichtigste verschwieg sie, nämlich dass Ian, Irina und Isabel ihr erzählt hatten, Hope und Arthur seien ermordet worden. Auch dass Isabel die Madrigals und Irina dieses Verbrechens beschuldigt hatte, ließ sie aus.
»Oh Mann«, staunte Dan und ließ sich in die Kissen sinken. »Und ich habe alles verpasst! Wenn ich dabei gewesen wäre,
hätte Isabel Kabra keine Chance gehabt. Wir hätten einfach sie ins Wasser gestoßen. Oder ich hätte sie mit einer Angelschnur gefesselt. Oder wir hätten Ian als Rammbock nehmen können!«
»Dan«, rügte ihn Nellie. »Das ist kein Spiel.«
Die Suche nach den 39 Zeichen ist für deinen Bruder so etwas wie ein Spiel, oder?
Dan sprang auf und spielte einen Gleitschirm, der über gefährliche Haie hinwegsegelte. Während Amy ihn dabei beobachtete, traf sie eine Entscheidung. Sie konnte ihm das von ihren Eltern nicht erzählen. Ihr Bruder hatte eine empfindsame Seite, die er mit Witzen zu überspielen versuchte. Das hing damit zusammen, dass er noch so klein gewesen gewesen war, als er seine Eltern verloren hatte. Er hatte keine Erinnerungen an sie sammeln können. Sie musste versuchen, allein herauszufinden, wer für den Tod ihrer Eltern verantwortlich war. Zumindest fürs Erste.
Amy griff sich an den Hals. Sie hatte ganz vergessen, dass Grace’ Halskette weg war. Jetzt, wo es ihr wieder einfiel, kam sie sich einsamer vor denn je. Die Erkenntnis, dass sie sich an jene Nacht erinnern musste, machte ihr Angst. Auch das musste sie vor Dan verbergen.
Er mag es überhaupt nicht, wenn ich mich wie eine große Schwester aufführe. Aber das bin ich nun mal.
Nellie tätschelte ihr das Knie. »Essen. Du musst essen.« Sie stand auf und ging in die Küche.
Amy zog die Jacke noch enger um sich. Sie spürte, wie an einer Stelle das Futter riss, und stöhnte leise auf. Der einzige Gegenstand, der ihr von ihrer Mutter geblieben war, und sie
machte ihn kaputt! Als sie mit den Fingern über das Futter fuhr und nach dem Riss suchte, hörte sie etwas knistern. Sie setzte sich auf und untersuchte die Jacke genauer. Sie war schon früher einmal am Saum aufgegangen und wieder genäht worden. Amy fuhr mit zwei Fingern in das Loch im Futter und zog einen linierten Zettel heraus, der aussah wie aus einem Notizbuch.
»Was ist das denn?«, fragte Dan und rückte näher heran.
»Ein Blatt aus einem alten Notizbuch. Das steckte im Futter. « Mit pochendem Herzen las Amy laut vor, was auf dem Zettel stand.
28. Juni 1937
Es scheint so, als wäre jede Festung, die mir früher zur Verfügung stand, jetzt gefährlich. Ein Krieg zieht auf, und nichts ist mehr einfach oder sicher, von Natal bis nach Karatschi. Sie fürchten uns. Das ist gut so.
Ich verließ Bandung und flog nach Darwin. Hier haben wir Fallschirme zurückgeschickt, um die Ladung zu reduzieren, deshalb gebe ich auch diese Jacke mit. GP hat den Auftrag, sie dir auszuhändigen. Morgen reisen wir weiter nach Lae. Dann geht es über den Pazifik nach Howland.
Leider muss ich berichten, dass ich unseren Attentäter H nicht aufspüren konnte. Es gibt keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort. Es gelang mir aber, von Bandung nach Batavia zu gelangen und unseren Kontaktmann ausfindig zu machen. Er erzählte mir von einem »narbigen weißen Mann«, von dem die Eingeborenen glauben, er sei dem Berg entkommen. Sein Körper war intakt, nicht aber sein Geist. Was er durchmachen
musste, war so grauenhaft, dass es ihm den Verstand verwirrt hatte.
Hier in Darwin erwies sich unser Informant als
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