Die 4 Frau
zierliche Frau mit Brille, das Podium bestieg und ihren Platz einnahm. Wie benommen setzte ich mich wieder hin.
Es war so weit.
Jeden Moment würde mein Prozess beginnen.
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Die Auswahl der Geschworenen nahm fast drei Tage in Anspruch. Schon nach dem ersten Tag hielt ich das ständige Läuten des Telefons und den Reporterschwarm, der mein kleines Haus belagerte, nicht länger aus, und so packte ich meine Sachen und zog mit Martha in Yukis Dreizimmerwohnung im Crest Royal, einer mittelgroßen Wohnanlage mit moderner Alarmanlage und Sicherheitsdienst.
Die Medienmeute wurde von Tag zu Tag größer und lauter. Die Presse heizte die Stimmung in der Öffentlichkeit noch weiter auf, indem sie das ethnische und sozioökonomische Profil jeder einzelnen als Geschworener vorgeschlagenen Person veröffentlichte und uns natürlich rassistischer Auswahlkriterien bezichtigte. Mir wurde selbst schon ganz mulmig, als ich sah, wie beide Seiten potenzielle Geschworene allein aufgrund ihrer erkennbaren oder vermuteten Voreingenommenheit mir gegenüber auswählten oder ablehnten. Als wir hintereinander vier Kandidaten afrikanischer oder lateinamerikanischer Abstammung zurückwiesen, sprach ich Yuki in einer Pause darauf an.
»Haben Sie mir nicht neulich erst erzählt, wie schlimm es damals für Sie war, wegen Ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert zu werden?«
»Hier geht es nicht um ethnische Herkunft. Die Leute, die wir abgelehnt haben, hatten alle eine negative Einstellung zur Polizei. Manchmal sind sie sich ihrer eigenen Vorurteile gar nicht bewusst, bis wir sie danach fragen. Und bei einem Fall mit einer so enormen Publicity kommt es auch vor, dass Leute lügen, nur um ihre fünfzehn Minuten Ruhm zu bekommen. Wir führen den Prozess der Geschworenenauswahl so durch, wie es unser gutes Recht ist. Bitte vertrauen Sie uns. Wenn wir nicht mit harten Bandagen kämpfen, haben wir schon verloren, bevor es überhaupt losgeht.«
Später am selben Tag machte die Gegenpartei dreimal von ihrem Recht Gebrauch, Geschworene ohne Begründung abzulehnen; bei den Kandidaten handelte es sich um zwei ältere Beamtinnen, die mich wohl mit einer gewissen Sympathie betrachtet hätten, fast wie eine Tochter, sowie einen Feuerwehrmann namens McGoey, der es mir vermutlich auch nachgesehen hätte, wenn ich einen Vierliterkanister Margarita intus gehabt hätte.
Am Schluss war keine Seite besonders glücklich, aber man hatte sich auf zwölf Männer und Frauen sowie drei Stellvertreter geeinigt. Um zwei Uhr nachmittags am dritten Prozesstag stand Mason Broyles auf, um sein Eröffnungsplädoyer zu halten.
In meinen schlimmsten Albträumen hätte ich mir nicht vorstellen können, was für ein erbärmliches Exemplar der menschlichen Gattung dazu ausersehen war, die Klage der Cabots gegen mich zu begründen.
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Mason Broyles sah aus, als hätte er letzte Nacht seine vollen acht Stunden Schlaf bekommen. Seine Haut war taufrisch, und er trug einen klassisch geschnittenen marineblauen Armani-Anzug. Sein hellblaues Hemd war nagelneu und frisch gestärkt und passte farblich zu seinen Augen. Er stand auf und wandte sich an das Gericht und die Geschworenen, wobei er auf jegliche Notizen verzichtete.
»Euer Ehren, meine Damen und Herren Geschworene. Um zu begreifen, was am Abend des zehnten Mai passiert ist, müssen Sie sich in die Gedankenwelt von zwei Teenagern versetzen, die eine spontane Idee hatten. Ihre Eltern waren nicht zu Hause. Sie fanden die Autoschlüssel des neuen Mercedes ihres Vaters und beschlossen, eine Spritztour zu machen.
Das war nicht in Ordnung, aber sie waren schließlich fast noch Kinder. Sara war fünfzehn. Sam ist gerade mal dreizehn.«
Broyles drehte sich von den Geschworenen zu seinen Mandanten um, als wollte er sagen:
Sehen Sie sich diese Menschen an. Sehen Sie den Schmerz und die Trauer in diesen Gesichtern, verschuldet durch Polizeibrutalität
.
Wieder an die Geschworenen gewandt, setzte Broyles sein Plädoyer fort.
»Sara Cabot saß an diesem Abend am Steuer. Die Cabot-Geschwister waren in einem verrufenen Viertel unterwegs, einem Stadtteil mit hoher Kriminalität, genannt Tenderloin District, und sie fuhren einen teuren Wagen. Wie aus heiterem Himmel begann ein anderes Auto sie plötzlich zu jagen.
Sie werden von Sam Cabot hören, dass das Polizeifahrzeug, das sie verfolgte, ihm und seiner Schwester panische Angst einjagte. Die Sirene war höllisch laut. Die Scheinwerfer und Frontleuchten blitzten und tauchten die ganze
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