Die 4 Frau
bevorstehenden Prozesses machten wie ich selbst.
Als Claire Yukis Hand ergriff, sagte sie: »Ich bin Lindsays Freundin – und ich muss Ihnen ja nicht sagen, dass ich zugleich auch Zeugin der Anklage bin.«
Cindy erklärte mit todernster Miene: »Ich arbeite für den
Chronicle
, und ich werde vor dem Gerichtsgebäude stehen und unverschämte Fragen brüllen.«
»Und die arme Lindsay in mundgerechte Häppchen zerstückeln, wenn es stimmt, was man so hört«, sagte Yuki.
»Na klar.«
»Ich werde gut auf sie aufpassen«, versprach Yuki. »Wir müssen uns zweifellos auf eine ziemliche Schlammschlacht gefasst machen, aber wir werden gewinnen.«
Als ob wir es vorher abgesprochen hätten, legten wir unsere sämtlichen acht Hände in der Mitte des Tisches aufeinander.
»Kämpft, Mädels, kämpft für eure Trainerin!«, sagte ich.
Es war gut, zusammen zu lachen, und ich war froh, als Yuki ihre Jacke auszog und Claire allen außer mir Margaritas einschenkte.
»Das habe ich noch nie probiert«, gestand Yuki mit leicht zweifelndem Unterton.
»Dann wird's aber allmählich Zeit, Frau Anwältin. Aber trinken Sie schön langsam, ja?«, sagte Claire. »So, jetzt erzählen Sie mal was über sich. Fangen Sie ganz vorne an.«
»Okay. Ich weiß schon – was hat es mit diesem komischen Namen auf sich?«, begann Yuki und leckte sich das Salz von der Oberlippe. »Zunächst einmal müssen Sie wissen, dass Japaner und Italiener so verschieden wie Tag und Nacht sind. Das Essen zum Beispiel: roher Tintenfisch mit Reis trifft Scungilli Marinara auf Linguini.« Yuki lachte. Es klang entzückend, wie ein Glockenspiel.
»Als meine zierliche, prüde japanische Mama und mein kräftiger, temperamentvoller italienisch-amerikanischer Papa sich auf einer Party für Austauschstudenten kennen lernten, hat es sofort gefunkt«, erzählte Yuki uns in ihrem komischen Schnellfeuerstil. »Da sagte mein künftiger Daddy: ›Lass uns heiraten, solange wir noch verliebt sind‹, und das taten sie – ungefähr drei Wochen nachdem sie sich das erste Mal gesehen hatten. Und neun Monate später kam ich.«
Yuki erklärte, dass es im nach wie vor sehr konservativen Japan viele Vorurteile gegen »Halbblutkinder« gebe und dass ihre Familie nach Kalifornien ausgewandert sei, als sie sechs war. Aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, was es für ein Gefühl gewesen war, in der Schule wegen ihrer gemischtrassigen Herkunft getriezt zu werden.
»Ich wollte schon immer Anwältin werden – seit ich alt genug war, um zu verstehen, was Perry Mason im Fernsehen eigentlich machte«, erzählte sie mit glänzenden Augen. »Ich will ja wirklich nicht angeben, aber an der Uni in Berkeley habe ich pausenlos glatte Einser geschrieben, und gleich nach dem Examen habe ich bei Duffy und Rogers angefangen und mich in Rekordzeit hochgearbeitet. Ich glaube, dass die Motivation einen entscheidenden Einfluss auf die Leistung hat, und deswegen sollten Sie verstehen, was mich motiviert.
Ich habe mir von klein auf ständig selbst etwas beweisen müssen: dass es einfach nicht genügt, klug und sehr gut zu sein. Ich muss die Beste sein. Und was Lindsay betrifft, Ihre alte Freundin und meine neue, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass sie unschuldig ist.
Und genau das werde ich beweisen.«
82
Trotz allem, was Yuki mir über den gewaltigen Medienrummel erzählt hatte, war ich doch ziemlich geschockt vom Anblick der dicht gedrängten, wogenden Menschenmasse auf der Civic Center Plaza am nächsten Morgen. Die Polk Street war auf beiden Seiten der McAllister von Satelliten-Übertragungswagen gesäumt, und ein ziemlich aggressiv wirkender Mob zog sich fächerförmig aus allen Richtungen zusammen und brachte den Verkehr vom und zum Rathaus und dem Gerichtsgebäude zum Erliegen.
Ich ließ den Wagen im Parkhaus in der Van Ness stehen, von wo aus ich nur noch drei Blocks zu Fuß gehen musste. Zunächst versuchte ich noch, in den Scharen von Passanten unterzutauchen, doch damit hatte ich keinen Erfolg. Kaum hatten sie mich entdeckt, da stürmten auch schon die Reporter auf mich zu, zielten mit ihren Mikrofonen und Kameras auf mich und schrien mir Fragen zu, die ich nicht verstehen, geschweige denn beantworten konnte.
Die Stimmen, die mich der »Polizeibrutalität« beschuldigten, die gnadenlose Hetze, der ohrenbetäubende Lärm der Menge, all das machte mich schwindlig und gleichzeitig traurig.
Ich war eine gute Polizistin, verdammt noch mal. Wie hatte es so weit kommen können,
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