Die 4 Frau
dem betreffenden Abend haben sich die
vorbildlichen
Cabot-Geschwister dem Zugriff der Polizei entzogen, indem sie mit hundertzwanzig Stundenkilometern über viel befahrene Straßen rasten, unter mutwilliger Missachtung der öffentlichen Sicherheit – was eine Straftat ist. Sie waren bewaffnet – ebenfalls eine Straftat –, und nachdem Sara Cabot den Wagen ihres Vaters zu Schrott gefahren hatte, halfen zwei besorgte Polizeibeamte ihnen aus dem Wrack, zwei Polizeibeamte, deren Dienstwaffen im Holster steckten und die lediglich ihrer Pflicht nachkamen, zu dienen und zu schützen und vor allem Hilfe zu leisten.
Sie werden später von einem Ballistikexperten der Polizei hören, dass die Kugeln, die Lieutenant Boxer und Inspector Jacobi operativ entfernt wurden, aus den Waffen von Sara beziehungsweise Sam Cabot abgefeuert wurden. Und Sie werden ebenfalls hören, dass Sara und Sam Cabot ohne die geringste Veranlassung auf die beiden Beamten geschossen haben.
Als Lieutenant Boxer an jenem Abend getroffen am Boden lag, als sie schon fast ein Drittel ihres Blutes verloren hatte und dem Tode nahe war, forderte sie die Kinder der Kläger auf, ihre Waffen fallen zu lassen, was diese nicht taten. Stattdessen feuerte Sara Cabot noch drei weitere Schüsse ab, die meine Mandantin Gott sei Dank verfehlten.
Erst danach erwiderte Lieutenant Lindsay Boxer das Feuer.
Hätte
irgendjemand
anderes – ein Banker, ein Bäcker, meinetwegen ein
Buchmacher
– diese Schüsse in Notwehr abgegeben, dann stünden wir jetzt nicht hier vor Gericht. Aber wenn eine Polizeibeamtin in Notwehr handelt, fällt alles über sie –«
»Einspruch!«
Aber es war zu spät für Einsprüche. Dr. Andrew Cabots versteinerte Miene war zu einer wütenden Fratze entgleist. Er sprang auf und stürzte sich auf Yuki, als wollte er sie würgen. Mason Broyles hielt seinen Mandanten zurück, der Saal kochte bereits über, während Richterin Achacoso wiederholt mit ihrem Hammer auf den Tisch schlug und das Publikum zur Ruhe gemahnte.
»Ich bin fertig, Euer Ehren«, sagte Yuki.
»O nein, das sind Sie nicht. Ich lasse nicht zu, dass diese Verhandlung in ein chaotisches Gerangel abgleitet. Gerichtsdiener, räumen Sie den Saal. Ich bestelle die Anwälte beider Parteien zu mir ins Richterzimmer.«
88
Als die Verhandlung fortgesetzt wurde, bemerkte ich ein Funkeln in Yukis Augen. Sie schien das Ge fühl zu haben, dass die Punkte, die sie mit ihrem Eröffnungsplädoyer eingeheimst hatte, den Rüffel von der Richterin allemal wert gewesen waren.
Broyles rief seine erste Zeugin auf: Betty D'Angelo, die Schwester aus der Notaufnahme, die an dem fraglichen Abend meine Schussverletzungen verarztet hatte. D'Angelo wiederholte widerstrebend ihre Aussage aus der Voruntersuchung, wonach ich einen Blutalkoholgehalt von 0,67 Promille gehabt hatte. Sie könne keinesfalls behaupten, dass ich betrunken gewesen sei, allerdings gelte man mit 0,67 Promille bereits als »alkoholisiert«.
Als Nächstes rief Broyles meine Freundin Dr. Claire Wash-burn in den Zeugenstand. Er ließ sich von ihr bestätigen, dass sie die Leiterin der Gerichtsmedizin der Stadt San Francisco war und die Autopsie von Sara Cabots Leiche durchgeführt hatte.
»Dr. Washburn, konnten Sie ermitteln, was bei Sara Cabot die Todesursache war?«
Mithilfe einer Umrisszeichnung des menschlichen Körpers demonstrierte Claire, an welchen Stellen meine Kugeln in Sara Cabots Rumpf eingedrungen waren.
»Ja. Ich fand zwei Schussverletzungen in der Brust. Geschoss A schlug hier ein, im linken oberen Brustbereich. Die Kugel drang zwischen der dritten und vierten linken Rippe in Sara Cabots Brusthöhle ein, durchschlug den oberen Lappen des linken Lungenflügels und anschließend den Herzbeutel und zerfetzte die linke Herzkammer, bevor sie im Rückenmark stecken blieb.
Das zweite Geschoss«, fuhr Claire fort und tippte mit dem Zeigestock auf das Schaubild, »drang zwölf Zentimeter unterhalb der Schulterlinie ein, durchschlug das Brustbein, drang mitten durchs Herz und blieb im vierten Brustwirbel stecken.«
Die Geschworenen waren höchst beeindruckt von der Schilderung der Zerstörungen, die meine Schüsse in Sara Cabots Herz angerichtet hatten, doch als Broyles mit der Befragung fertig war, stand Yuki bereit, um Claires Kreuzverhör fortzusetzen.
»Können Sie uns etwas über die Einschusswinkel sagen, Dr. Washburn?«, fragte Yuki.
»Die Schüsse wurden schräg von unten nach oben abgegeben, ausgehend von einem Punkt
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