Die 4 Frau
in der Spur zu bleiben, wie es mein Explorer getan hätte, brach der Bonneville auf dem Schotter mit dem Heck aus, und ich wurde zurück auf die Route 92 geschleudert, über den doppelten gelben Mittelstreifen hinweg direkt in den Gegenverkehr.
Der Taurus muss an mir vorbeigezogen sein, aber ich bekam davon nichts mit.
Ich klammerte mich an das Lenkrad des schlitternden Wagens, als die Anzeigen am Armaturenbrett plötzlich verrückt spielten.
Servolenkung und –bremse waren ausgefallen, die Lichtmaschine war tot, der Motor wurde heiß, und ich schlingerte hilflos mitten über die Fahrbahn.
Während ich wie wild das Bremspedal bearbeitete, scherte direkt vor mir ein schwarzer Pick-up im letzten Moment aus –er wäre mir sonst voll in die Seite gerauscht. Der Fahrer hupte und schleuderte mir aus dem offenen Fenster ein paar deftige Flüche an den Kopf, aber ich war so froh, dass er mich nicht gerammt hatte, dass ich ihn hätte küssen können.
Als ich endlich am Straßenrand zum Stehen kam, war der Wagen in eine so dicke Staubwolke gehüllt, dass ich durch die Windschutzscheibe rein gar nichts sehen konnte.
Ich stieg aus und lehnte mich an den Bonneville. Meine Beine waren wie Gummi, und meine Hände zitterten.
Fürs Erste war die Jagd vorbei.
Aber ich wusste, dass sie nicht wirklich vorbei war.
Irgendjemand hatte mich im Visier, und ich hatte keine Ahnung, wer es war und warum er es auf mich abgesehen hatte.
115
Ich tippte die Nummer der Man-in-the-Moon-Werkstatt in mein Handy ein und hatte Keiths AB dran.
»Keith, ich stecke ein bisschen in der Klemme. Lindsay hier. Bitte, gehen Sie dran.«
Als Keith sich endlich meldete, gab ich ihm meine Koordinaten durch. Es dauerte zwanzig Minuten, bis er mit seinem Abschleppwagen angezockelt kam, aber es kam mir vor wie eine Stunde. Er nahm den Bonneville an den Haken, um ihn in Schmach und Schande heimzuführen, und ich kletterte auf den Beifahrersitz des Trucks.
»Das ist ein
Luxuswagen
, Lindsay«, schalt Keith mich. »Damit fährt man nicht Karussell. Der hat schließlich über zwanzig Jahre auf dem Buckel.«
»Ich weiß, ich weiß.«
Gedehntes Schweigen.
»Hübsche Bluse.«
»Danke.«
»Nein, wirklich«, beteuerte er so ernsthaft, dass ich lachen musste. »Sie sollten so was öfter tragen.«
In der Werkstatt angekommen, klappte Keith die Motorhaube des Bonneville auf.
»Ha. Der Keilriemen ist gerissen«, sagte er.
»Ha. Das weiß ich schon.«
»Wussten Sie auch, dass Sie das zur Not mit einer Strumpfhose reparieren können?«
»Ja, das wusste ich. Aber so seltsam das klingen mag, im Werkzeugkasten habe ich keine Strumpfhose finden können.«
»Ich hab eine Idee. Wie wär's, wenn ich Ihnen die Kiste wieder abkaufe? Ich geb Ihnen 'nen Hunderter mehr, als Sie mir bezahlt haben.«
»Ich denk drüber nach.
Nein
.«
Keith lachte und erbot sich, mich nach Hause zu fahren, ein Angebot, das ich schwerlich ausschlagen konnte. Da er es sowieso erfahren würde, erzählte ich Keith, was ich meinen Freundinnen noch nicht erzählt hatte und was selbst Joe noch nicht wusste.
Ich erzählte ihm von den Schüssen in der Nacht.
»Und jetzt denken Sie, dass jemand Sie verfolgt? Warum fahren Sie nicht nach Hause, Lindsay? Das meine ich ernst.«
»Weil ich diesen Mordfall nicht einfach sausen lassen kann. Nicht jetzt. Erst recht nicht, nachdem irgendjemand ein Dutzend Schüsse auf das Haus meiner Schwester abgefeuert hat.«
Keith warf mir einen mitleidigen Blick zu und rückte seine Giants-Kappe zurecht, während er den Truck geschickt um die Kurven manövrierte.
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ganz schön stur sein können?«
»Klar. Für einen Cop ist das gar kein schlechter Charakterzug.«
Aber mir war klar, worauf er hinauswollte. Ich wusste ja selbst nicht mehr, ob das, was ich tat, mutig oder einfach nur dumm war.
Und ich war noch nicht so weit, dass ich mir die Frage beantworten konnte.
116
Als Keith und ich vor Cats Haus vorfuhren, war die ganze Einfahrt zugeparkt: mein Explorer, ein Streifenwagen, ein Lkw von einer Glaserfirma mit der Aufschrift »Die Fenster-Experten« und ein großer metallicblauer Van mit dem »Disaster-Master«-Logo auf der Tür.
Ich dankte Keith fürs Heimbringen und stieg aus. Martha trottete hinter mir her ins Haus, wo ich einen kräftigen Mann mit einem kleinen Schnauzbart und einem hufeisenförmigen Haarkranz antraf, der damit beschäftigt war, das Sofa abzusaugen. Er schaltete den Staubsauger aus, und ich
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