Die 5 Plage
Kunstfehler-Klage zu bündeln, sei von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Aber sie hatte den Fall nicht ablehnen können. Er war einfach zu gut.
Die ersten Patienten waren von sich aus zu ihr gekommen - und dann hatte sie das Muster erkannt. Die Sache hatte rasch eine Eigendynamik bekommen, und schon bald war sie zur Anlaufstelle für alle Patienten und Angehörigen mit schweren Vorwürfen gegen das Municipal Hospital geworden.
Die Vorbereitung dieses Prozesses war ungefähr so gewesen, als müsse man auf einem Motorrad stehend eine Herde Wildpferde zusammentreiben und dabei mit Bowlingkugeln jonglieren. Aber sie hatte es geschafft.
Die letzten vierzehn Monate hatte sie sich durch das Beweisverfahren gekämpft, hatte endlose eidesstattliche Aussagen über sich ergehen lassen und ihre sechsundsiebzig Zeugen vorbereitet - medizinische Experten, ehemalige und aktuelle Mitarbeiter des Krankenhauses und schließlich ihre Mandanten, die Familien der zwanzig Verstorbenen, deren Aussagen nun endlich übereinstimmten.
Sie hatte einen persönlichen Grund für ihr totales, unbedingtes Engagement, aber es brauchte niemand zu wissen, warum dieser Fall ihr so ganz besonders am Herzen lag.
Sie konnte den Schmerz ihrer Mandanten zweifellos nachempfinden - das war Grund genug.
Jetzt musste sie nur noch die Geschworenen überzeugen.
Und wenn ihr das gelänge, dann würde auch das Krankenhaus den Schmerz fühlen, und zwar auf die einzig mögliche Art und Weise - indem es eine gigantische Summe herausrückte: die vielen, vielen Millionen, die ihre Mandanten voll und ganz verdient hatten.
17
Maureen O’Mara musste laufen, um den Lift noch zu erreichen, ehe die Tür sich schloss. Im letzten Moment schlüpfte sie hinein und schrak zusammen, als ein Mann in einem anthrazitgrauen Anzug sich mit ihr in die Kabine zwängte.
Lawrence Kramer ließ sie ein strahlendes Lächeln sehen. Er beugte sich vor und drückte die Vier.
»Morgen, Frau Kollegin«, sagte er. »Wie geht’s uns denn heute?«
»Blendend«, flötete sie. »Und Ihnen?«
»Spitze. Ich habe heute Morgen ungefähr drei Pfund rohes Fleisch zu meinen Eiern verdrückt«, sagte Kramer. »Das Frühstück eines Champions.«
»Klingt eher schlecht fürs Herz«, meinte Maureen und betrachtete den Hauptanwalt des Krankenhauses aus dem Augenwinkel. »Sie haben doch ein Herz, oder, Larry?«
Der kräftige Mann warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend, während der Aufzug ruckelnd zum Gerichtssaal hinauffuhr.
Meine Güte, er hat wirklich eine Menge Zähne, und er hat sie sich bleichen lassen .
»Aber sicher. Und dank Ihnen, Maureen, bekomme ich mein Cardio-Training gratis im Gerichtssaal.«
Der zweiundvierzigjährige Lawrence Kramer war ein begnadeter Strafverteidiger. Intelligent, attraktiv und in der Blüte seiner Jahre, war er obendrein auf dem besten Weg, zum Medienstar zu werden.
O’Mara hatte ihn schon ein paarmal in Chris Matthews’ Talkshow Hardball gesehen, wo er zu einem seiner Mandanten befragt worden war, einem Footballstar, der wegen Vergewaltigung vor Gericht stand. Kramer hatte Matthews’ verbales Maschinengewehrfeuer unbeschadet überstanden, was Maureen allerdings nicht weiter wunderte. Kramer liebte es, mit harten Bandagen zu kämpfen.
Und jetzt verteidigte Lawrence Kramer das San Francisco Municipal Hospital in einem Prozess, der für das Krankenhaus den Konkurs und möglicherweise gar die Schließung bedeuten konnte. Aber was noch wichtiger war: Er verteidigte das Krankenhaus gegen sie .
Der Lift hielt im ersten Stock des Gerichtsgebäudes, und drei weitere Personen quetschten sich in die kleine, mit Mahagoni verkleidete Kabine, sodass Maureen gezwungen war, noch näher an Kramer heranzurücken. Ein bisschen zu viel Nähe zu einem Mann, der mit allen Mitteln versuchen würde, sie fertigzumachen und ihre Mandanten in den Schmutz zu ziehen.
O’Hara hatte einen Moment des Zweifels, und ein ängstlicher Schauer überlief sie. Konnte sie das wirklich durchziehen? Noch nie hatte sie einen so komplexen Fall übernommen - und auch niemand sonst, den sie kannte. Das war ganz klar der Fall ihres Lebens - und das galt auch für Larry Kramer.
Der Aufzug hielt mit einem Ruck im vierten Stock, und sie trat hinaus auf den Flur, dicht gefolgt von Kramer. Sie konnte seine Präsenz in ihrem Rücken geradezu körperlich spüren, als stünde er unter Hochspannung.
Die Augen starr geradeaus gerichtet, marschierten die beiden Anwälte los, und das Klackern
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