Die 5 Plage
ihrer Schuhe auf dem Marmorfußboden hallte von den Wänden des breiten Flurs wider.
Maureen hing ihren Gedanken nach.
Auch wenn Kramer zehn Jahre mehr Erfahrung aufzuweisen hatte als sie, war sie ihm dennoch ebenbürtig - jedenfalls hatte sie das Zeug dazu. Auch sie hatte ein Juradiplom von Harvard. Auch sie blühte erst richtig auf, wenn es knallhart zur Sache ging. Und sie hatte etwas, was Kramer nicht hatte. Sie hatte das Recht auf ihrer Seite.
Recht ist Macht. Recht ist Macht .
Die bekräftigende Formel war wie ein kühles Bad, das sie erfrischte und beruhigte und sie zugleich für den größten Prozess ihrer Karriere stärkte. Damit könnte auch sie einen Auftritt in Hardball landen.
Sie erreichte die offene Tür des Gerichtssaals Sekunden vor ihrem Widersacher und sah, dass die Zuschauerbänke des eichengetäfelten Saals fast voll besetzt waren.
Vorn, auf der Klägerbank zur Rechten des Mittelgangs, saß ihr Partner Bobby Perlstein, der im Prozess als ihr Stellvertreter fungierte, und ging seine Unterlagen durch. Maureens Assistentin Karen Palmer legte gerade die Beweisstücke und Dokumente zurecht. Beide drehten sich zu ihr um und lächelten siegesgewiss.
Maureen grinste zurück. Auf dem Weg zu ihren Mitarbeitern kam sie an ihren zahlreichen Mandanten vorbei und begrüßte sie mit einem Lächeln, einem Augenzwinkern oder einem Winken. Ihre dankbaren Augen wärmten ihr das Herz.
Recht ist Macht .
Maureen konnte kaum erwarten, dass es endlich losging.
Sie war bereit. Und heute war ihr Tag.
18
Yuki reichte an diesem Montagmorgen im Erdgeschoss des Gerichtsgebäudes im Civic Center gerade einen Antrag ein, als ihr einfiel, dass in diesen Minuten Maureen O’Maras Prozess gegen das San Francisco Municipal eröffnet wurde.
Das war etwas, was die Anwältin in ihr sich nicht entgehen lassen konnte.
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr, umkurvte die Menschenmenge, die sich vor den Aufzügen drängte, und nahm die Treppe. Etwas außer Atem schlüpfte sie wenig später durch die Tür des holzgetäfelten Gerichtssaals am Ende des Flurs im vierten Stock.
Yuki sah, dass Richter Bevins den Vorsitz hatte.
Bevins war schon über siebzig, hatte sein weißes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und galt als fair, wenn auch etwas verschroben und ziemlich unberechenbar.
Als Yuki in der Nähe der Tür Platz nahm, bemerkte sie auf der anderen Seite des Mittelgangs einen dunkelhaarigen Mann, der zu seiner Khakihose einen Blazer über einem pinkfarbenen Hemd mit Clubkrawatte trug. Er zupfte nervös am Armband seiner Uhr.
Es dauerte eine Weile, bis sie den attraktiven Gesichtszügen einen Namen zuordnen konnte - und dann wurde Yuki mit einem kleinen Schock bewusst, dass sie den Mann kannte: Es war Dennis Garza, der Arzt, der ihre Mutter in der Notaufnahme behandelt hatte.
Natürlich. Er ist ein Zeuge in diesem Prozess, dachte Yuki.
Ein Geraschel und Gemurmel erhob sich in dem vollbesetzten Gerichtssaal und lenkte ihre Aufmerksamkeit von Garza ab. Maureen O’Mara war aufgestanden, um das Wort zu ergreifen.
O’Mara war groß gewachsen und gut gebaut - Größe 40, schätzte Yuki -, und sie trug einen grauen Armani-Hosenanzug und schwarze Schuhe mit flachen Absätzen. Sie hatte markante Züge und eine auffallende dunkelrote, schulterlange Mähne, die wirkungsvoll schwang, wann immer sie den Kopf drehte - wie sie es jetzt tat.
Die attraktive Anwältin wandte sich an das Gericht, begrüßte die Geschworenen, stellte sich vor und begann dann ihr Eröffnungsplädoyer. Von einem Stapel vor ihr auf dem Tisch nahm sie ein großformatiges, auf Karton geklebtes Foto und hielt es hoch.
»Ich möchte Sie bitten, sich dieses Bild ganz genau anzusehen«, sagte O’Mara. »Diese reizende junge Frau ist Amanda Clemmons.« Das Bild zeigte eine sommersprossige Blondine von schätzungsweise fünfunddreißig Jahren.
»Im Mai dieses Jahres spielte Amanda Clemmons in der Einfahrt ihres Hauses mit ihren drei kleinen Söhnen Basketball«, sagte O’Mara. »Simon Clemmons, ihr Mann, der Vater der Jungen, war sechs Monate zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Amanda war keine sehr gute Basketballspielerin«, fuhr O’Mara fort, »aber diese junge Witwe wusste, dass sie für Adam, John und Chris nun Vater und Mutter zugleich sein musste. Und niemand hätte diesen Job besser machen können als sie.
Versuchen Sie sich diese beherzte Frau vorzustellen. Lassen Sie ihr Bild vor Ihrem geistigen Auge entstehen«, sagte Maureen und fuhr
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