Die 5 Plage
untenrum«, fuhr sie fort. »Deswegen würde ich das normalerweise kaum in meinem Bericht erwähnen. Aber dieses Mädchen hat es sich nirgendwo sonst hingesprüht. Weder aufs Dekolleté noch auf die Handgelenke oder hinter die Ohren.«
Wir stießen an und nahmen einen langen Schluck aus unseren Flaschen.
»Kam mir sehr ungewöhnlich vor, also hab ich einen Abstrich ins Labor geschickt. Der kam postwendend zurück«, sagte Claire kurz darauf. »Sie können es nicht identifizieren. Sind für so was nicht ausgestattet. Und sie haben nicht die Zeit.«
»Keine Zeit, um ein Verbrechen aufzuklären«, schimpfte ich.
»Hier wird doch alles immer im Schneckentempo erledigt«, meinte Claire, während sie in den Papieren auf ihrem Schreibtisch kramte.
»Aber immerhin habe ich die Laborergebnisse zu dem Vaginalabstrich. Sekunde - ah, da ist er ja.«
Mit blitzenden Augen griff sie nach einem braunen Umschlag, zog ein Blatt Papier heraus, legte es auf den Schreibtisch und tippte mit dem Zeigefinger darauf. »Der Fleck auf ihrem Rock war tatsächlich Sperma, und es ist identisch mit den beiden Spermaproben, die wir aus ihr rausgeholt haben.«
Ich folgte Claires Finger, der über die Spalte mit den toxikologischen Befunden glitt. Sie tippte auf das Kürzel EtOH. »Das ist es, was ich dir zeigen wollte. Der Bluttest auf Alkohol war positiv. 1,3 Promille.«
»Sie war also sturzbesoffen«, sagte ich.
»Mmh, aber das ist noch nicht alles. Sieh mal hier. Sie hatte auch Benzodiazepin im Blut. Alkohol und Valium ist eine eher ungewöhnliche Kombination, also musste ich einen zweiten Tox-Test machen lassen, um die Substanz genauer bestimmen zu können. Das Labor konnte sie als Rohypnol identifizieren.«
»O nein. Die Vergewaltiger-Droge.«
»Genau. Sie wusste nicht, wo sie war, wer sie war und was mit ihr passierte - nicht einmal, dass es passierte.«
Die hässlichen Puzzleteile waren alle da, aber ich konnte noch immer nicht das ganze Bild sehen. Caddy-Girl war mit Drogen vollgepumpt, vergewaltigt und ermordet worden, und das alles mit einer schier unglaublichen Sorgfalt und Präzision.
Claire wandte sich zur Pinnwand um. »Kein Wunder, dass wir keine Vaginalprellungen oder Abwehrverletzungen finden konnten, Lindsay. Caddy-Girl konnte sich nicht wehren, selbst wenn sie es gewollt hätte. Das arme Kind hatte nicht den Hauch einer Chance.«
25
Abends, als ich mit meinem Explorer im Dunkeln nach Hause fuhr, versuchte ich, wie eine Frau und nicht wie eine Polizistin zu denken. Ich musste die Welt mit Caddy-Girls Augen sehen, wenn ich begreifen wollte, was mit ihr geschehen war. Aber es war eine entsetzliche Vorstellung, der Willkür gewalttätiger Männer so hilflos ausgeliefert zu sein. Zweier Männer - nein, zweier Bestien.
Ich zog mein Handy aus dem Gürtelclip und rief Jacobi an, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Er meldete sich schon beim ersten Läuten, und ich berichtete ihm, was ich von Claire erfahren hatte.
»Ich nehme also an, dass sie sich allein in einem Zimmer mit zwei Typen befand, die scharf auf Sex waren«, sagte ich, während ich an der nächsten Kreuzung vor der roten Ampel abbremste. »Sie werden aufdringlich - und sie lässt sie abblitzen, gibt ihnen einen Korb. Also verabreicht ihr einer der Kerle K.-o.-Pillen mit dem Chardonnay.«
»Genau«, pflichtete Jacobi bei. »Und jetzt ist sie so zugedröhnt, dass sie keinen Finger mehr rühren kann. Vielleicht wird sie sogar ohnmächtig. Sie reißen ihr die Kleider vom Leib, sprühen sie mit Parfum ein und vergehen sich abwechselnd an ihr.«
»Vielleicht haben sie Angst, dass sie sich an die Vergewaltigung erinnern könnte«, nahm ich den Faden von meinem Expartner auf und spann ihn weiter. »Sie sind nicht ganz blöde. Vielleicht sind sie sogar ganz besonders clever. Sie wollen sie töten und dabei möglichst wenig Spuren hinterlassen. Der eine setzt sich auf ihren Brustkorb, der andere zieht ihr noch eine Plastiktüte über den Kopf, um ganz sicherzugehen, dass sie tot ist. Ein blitzsauberer Mord.«
»Mmh, klingt alles logisch, Boxer. Und nachdem sie tot ist, laden sie vielleicht nach und machen sich ein zweites Mal über sie her«, sagte Jacobi. »Ein bisschen Nekrophilie hat noch keinem geschadet, wie? Und dann? Sie ziehen ihr Klamotten im Wert von fünftausend Dollar an und machen eine Spritztour mit ihr? Und lassen sie in Guttmans Seville sitzen?«
»Das ist das Verrückteste an der ganzen Geschichte«, sagte ich. »Das mit den Kleidern verstehe ich
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