Die 5 Plage
damit.«
Ich folgte seiner Aufforderung, doch als ich in sein Gesicht sah, vergaß ich all die sorgfältig formulierten Sätze, die Ausschmückungen und Schnörkel, und fiel gleich mit der Tür ins Haus.
»Ich mag kein Boss sein, Boss. Ich will wieder Vollzeit ermitteln.«
Sein Lächeln war längst spurlos verschwunden. »Was reden Sie da, Lieutenant? Ich verstehe Sie nicht.«
»Wenn ich morgens aufwache, habe ich das Gefühl, in der falschen Haut zu stecken, Chief. Es liegt mir nicht, andere bei der Arbeit zu beaufsichtigen. Ich fühle mich nicht wohl als Lieutenant im Innendienst«, erklärte ich. »Draußen auf der Straße, da fühle ich mich wohl, und Sie wissen genau, dass das meine Stärke ist, Tony. Sie wissen, dass ich recht habe.«
Ein, zwei Sekunden lang war ich mir nicht einmal sicher, ob Tracchio mich überhaupt gehört hatte - so versteinert war seine Miene. Dachte er an all die Mörder, die ich hinter Gitter zu bringen geholfen hatte? Das hoffte ich jedenfalls. Und dann schlug er urplötzlich mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, so heftig, dass ich unwillkürlich mit meinem Stuhl fünf Zentimeter nach hinten rutschte.
Was folgte, war eine verbale Explosion. Speicheltropfen flogen in meine Richtung.
»Ich weiß nicht, was Sie geraucht haben, Boxer, aber Sie haben diesen Job. Wissen Sie - nein, sagen Sie jetzt nichts! -, wissen Sie überhaupt, wie viele Männer in die Röhre geguckt haben, als Sie befördert wurden? Wissen Sie, wie viele Kerle hier im Dezernat immer noch sauer auf Sie sind? Sie sind befördert worden, weil Sie Führungsqualitäten haben, Boxer. Sie sind Dezernatsleiterin. Machen Sie Ihren Job. Ende der Besprechung.«
»Chief...«
»Was? Machen Sie schnell, ich habe zu tun.«
»Ich bin besser im Außendienst, an vorderster Front. Ich löse meine Fälle, und meine Personalakte belegt das. Im Büro drehe ich bloß am Rad, und diese Typen, die so gerne Lieutenant wären - na ja, Sie sollten einen von denen befördern, Chief. Sie brauchen jemanden auf meiner Stelle, der sie auch wirklich haben will.«
»Okay, da Sie nun mal damit angefangen haben - ich hätte Ihnen da auch noch das eine oder andere zu sagen«, erwiderte Tracchio.
Er öffnete eine Schreibtischschublade, nahm eine Zigarre heraus, kappte die Spitze mit einer Art Taschenguillotine und blies blaue Wölkchen in die Luft, während er seinen Stumpen anzündete.
Ich wartete mit angehaltenem Atem.
»Sie können sich in diesem Job durchaus noch steigern, Boxer. Wenn es um Verbrechensaufklärung geht, hat das SFPD die rote Laterne fest in der Hand. Absolutes Schlusslicht im ganzen Land ! Sie müssen lernen, Ihre Leute besser zu führen. Anderen Cops mit Ihrer Erfahrung zu helfen. Sie müssen das Image des SFPD in der Öffentlichkeit verbessern. Ein strahlendes Vorbild abgeben. Sie müssen uns helfen, neues Personal anzuwerben und auszubilden. Was das betrifft, haben Sie null vorzuweisen, Boxer, und - ich bin noch nicht fertig!
Vor nicht allzu langer Zeit wurden Sie angeschossen und wären fast gestorben. Um ein Haar hätten wir Sie verloren. Sie waren an diesem Abend noch nicht einmal im Dienst, und Sie haben einen eklatanten Mangel an Selbstbeherrschung an den Tag gelegt. Jacobi bietet Ihnen an, bei einem Überwachungseinsatz mitzufahren, und Sie schreien sofort: ›Ich bin dabei!‹«
Tracchio stand auf, wirbelte herum und legte die Hände auf die Rückenlehne seines Sessels. Sein Gesicht war knallrot vor Empörung. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie eigentlich zu meckern haben. Sie haben’s doch leicht. Wie würde es Ihnen denn gefallen, meinen Job zu machen?«
Ich starrte ihn benommen an, während er die einzelnen Dezernate an seinen Wurstfingern abzählte. »Ich habe die Mordkommission, ich habe Raub, Drogen, Prävention und Sondereinsätze. Ich muss mich mit dem Bürgermeister rumschlagen und mit dem Gouverneur, und wenn Sie glauben, das ist so was Ähnliches wie die Oscarverleihung, wo sie einem den roten Teppich ausrollen, dann...«
»Mir scheint, Sie liefern mir gerade neue Argumente, Chief.«
»Hören Sie, warum tun Sie nicht sich selbst und allen anderen einen Riesengefallen und reißen sich einfach am Riemen, Lieutenant? Gesuch abgelehnt. Wir sind fertig.«
Ich kam mir vor wie ein kleines Kind, als ich mich aufrappelte und Tracchios Büro verließ. Ich fühlte mich gedemütigt und war so sauer, dass ich am liebsten den Krempel hingeschmissen hätte - aber dazu war ich wiederum zu klug. Alles, was
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