Die 5 Plage
unserer Pharmazeuten die Bestellung für diesen Patienten und gibt sie ein. Dadurch wird die Sperre an dem Automaten, der die Medikamente ausgibt, gelöst.«
»Es ist also eine Art digitaler Verkaufsautomat?«
»Richtig«, bestätigte die Zeugin, offensichtlich zufrieden mit sich selbst und mit O’Mara, die so schnell begriffen hatte. »Die Schwester entnimmt das Medikament für den Patienten aus einem Fach in dem Automaten und verabreicht es dem Patienten.«
»Ein absolut ›fehlersicheres‹ System?«
»So gut wie. Das Programm kann nicht verändert werden, und die Sicherheitscodes hinterlassen eine akustische Spur.«
»Ich verstehe«, sagte O’Mara. Sie ging zu ihrem Tisch zurück, warf einen Blick in ihre Unterlagen und wandte sich dann wieder ihrer Zeugin zu.
»Könnte ein Mitarbeiter die falschen Medikamente in die Fächer des Automaten legen?«
»Möglich wäre es wohl...«
»Bitte antworten Sie mit Ja oder Nein.«
»Ja.«
»Könnte irgendjemand ein Medikament einbehalten, nachdem er es aus dem Automaten entnommen hat? Und etwa für seinen Privatgebrauch abzweigen?«
»Ja.«
»Wenn ein Arzt eine falsche Diagnose stellt, würde dem Patienten dann nicht das falsche Medikament verabreicht werden?«
Die Zeugin blinzelte nervös. Vielleicht nur die Aufregung, dachte Cindy, aber es war mehr als nur das - ihre Miene wirkte gequält. Es war nicht viel übrig geblieben von ihrer 99,9-prozentigen Fehlersicherheit.
»Ja, aber...«
»Danke«, unterbrach O’Mara sie. »Sagen Sie, trifft es nicht zu, dass die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Arzneimitteln sich verdreifacht hat, seit das Municipal vor drei Jahren privatisiert wurde?«
»Glauben Sie etwa, das lässt mich kalt? Ich habe alles versucht, um hinter die Ursache zu kommen«, erwiderte Engstrom. Sie war lauter geworden, und zum ersten Mal, seit sie in den Zeugenstand getreten war, zitterte ihre Stimme.
»Ich bitte Sie, Dr. Engstrom, beantworten Sie einfach nur die Frage. Sie leiten diese Abteilung. Sie sind im Verwaltungsrat des Krankenhauses. Haben sich die Todesfälle im Zusammenhang mit Medikamenten in den letzten Jahren mehr als verdreifacht ?«
»Ja, aber... Also gut: Ja.«
»Bestreiten Sie, dass die Angehörigen meiner Mandanten gestorben sind, weil sie die falschen Medikamente erhielten?«
»Nein, das kann ich nicht bestreiten«, antwortete Engstrom mit kaum vernehmlicher Stimme.
»Es ist also irrelevant, ob diese Todesfälle auf Ihren so gut wie hundertprozentig sicheren Automaten oder auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, nicht wahr? Denn so oder so«, fuhr O’Mara unerbittlich fort, »trifft es doch zu, dass diese Todesfälle das Resultat von Fahrlässigkeit sind, sei es Ihre eigene oder die des Krankenhauses. Habe ich recht?«
»Einspruch! Argumentativ.« Kramer war wieder aufgesprungen.
Cindy spürte, wie die Härchen an ihren Armen sich aufrichteten. Neben ihr stieß Whit Ewing einen leisen Pfiff aus.
»Stattgegeben«, entschied Richter Bevins.
»Ich ziehe die Frage zurück«, sagte Maureen O’Mara. Ihr Blick wanderte zu den Geschworenen und verweilte dort. »Euer Ehren, die Beweisführung der Klägerseite ist abgeschlossen.«
56
Angeblich war es ein wunderschöner Herbsttag, aber beschwören hätte ich das nicht können. Ich hockte in meinem Büro, zog mir ein Schinken-Käse-Sandwich rein und genoss die Aussicht auf die dunkle Häuserschlucht, als Inspector Conklin an die Tür klopfte.
»Herein«, rief ich.
Conklin war in Hemdsärmeln, und irgendetwas brachte seine braunen Augen zum Strahlen. Ich konnte es kaum erwarten zu erfahren, was es war.
»Lieutenant, wir haben da jemanden in der Teeküche sitzen, den Sie unbedingt kennenlernen sollten. Am besten jetzt gleich.«
»Was gibt’s denn?«
Aber Conklin machte schon wieder kehrt und sagte nur: »Kommen Sie schon, Lieutenant«, während er mit großen Schritten den Flur entlangging.
»Conklin?«
Ich warf den Bericht, an dem ich gerade arbeitete, auf den Schreibtisch und folgte ihm in den kleinen Raum, der neben allerhand Gerümpel unsere Mikrowelle und unseren vergilbten Kenmore-Kühlschrank beherbergt.
Jacobi saß an dem ramponierten Küchentisch, ihm gegenüber eine hübsche junge Frau von Anfang zwanzig in blauem Polarfleece-Hemd und Stretchhose. Ihr langes dunkles Haar war am Hinterkopf zu einem Zopf gebunden. Sie richtete ihre geröteten, mit Mascara verschmierten Augen auf mich.
Offenbar hatte sie geweint.
Jacobi hatte sein
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