Die 5 Plage
einer Wüste um zwölf Uhr mittags. Niemand hustete, schlug die Beine übereinander oder raschelte mit einem Bonbonpapier.
Beinahe beiläufig fragte O’Mara: »Hatten Sie etwas mit diesem ›bösen Wind‹ zu tun, Dr. Garza?«
Lawrence Kramer war schon wieder auf den Beinen. »Einspruch! Die Vertreterin der Anklage schüchtert den Zeugen ein. Das kann so nicht weitergehen!«
»Abgewiesen. Setzen Sie sich, Mr. Kramer.«
»Was werfen Sie mir vor?«, fragte Garza.
»Sie stellen hier nicht die Fragen, Dr. Garza«, sagte O’Mara. »Vierzehn der zwanzig Menschen, deren Familien ich hier vertrete, wurden behandelt beziehungsweise starben, während Sie Dienst hatten.«
»Wie können Sie es wagen?«, fauchte Garza.
»Euer Ehren, bitte sagen Sie dem Zeugen, dass er die Frage beantworten soll.«
»Dr. Garza, beantworten Sie die Frage.«
»Ich werde sie noch einmal stellen«, sagte O’Mara. Ihre Stimme war ruhig und beherrscht. »Hatten Sie irgendetwas mit dem Tod dieser Personen zu tun?«
Garza richtete sich auf seinem Stuhl im Zeugenstand auf und starrte O’Mara eindringlich an. Wenn er könnte, würde er sie erschießen , dachte Cindy.
»Ich verweigere die Aussage«, sagte Garza.
»Wie bitte?«
»Ich berufe mich auf den Fünften Verfassungszusatz und verweigere die Aussage.«
Die Gesichter der Geschworenen waren vor Schreck wie versteinert. Und dann erhob sich im Saal ein chaotisches Stimmengewirr. Richter Bevins schlug mehrmals mit seinem Hammer auf den Tisch.
»Ich danke Ihnen«, sagte O’Mara, und ein Lächeln huschte über ihre Züge. Sie warf Larry Kramer einen verstohlenen Blick zu. »Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.«
»Was ich damit eigentlich sagen wollte...«
»Das wäre alles, Dr. Garza.«
»Der Zeuge ist entlassen. Die Verhandlung wird auf morgen früh neun Uhr vertagt«, sagte der Richter und ließ den Hammer ein letztes Mal niedersausen.
Cindy speicherte ihre Datei ab und steckte den Laptop in die Tasche. Garzas unglaubliche Aussagen wirbelten noch in ihrem Kopf herum, als sie sich mit der Menge aus dem Saal hinaus auf den Korridor treiben ließ.
Manchmal weht ein böser Wind.
Ich berufe mich auf den Fünften Verfassungszusatz .
Der Arzt hatte gerade seine eigenen Schlagzeilen geschrieben.
Und morgen würde das ganze Land sie lesen.
Yuki wartete an der Tür auf Cindy. Ihre Augen waren riesengroß. Es war, als hätte sie gerade selbst diesen Fall gewonnen.
»Cindy, kannst du glauben, dass er das wirklich gesagt hat?«
»Ich habe es ja mit eigenen Ohren gehört. Dieser Idiot hat die Aussage verweigert, weil er fürchtet, sich selbst zu belasten!«
»Er hat es gerade zugegeben«, rief Yuki, und ihre Stimme versagte fast. »Dieses Schwein ist schuldig, schuldig, schuldig !«
73
Der Duft von Steaks, gebratenen Zwiebeln und reifen Kochbananen begrüßte mich, als ich die Tür von Susie’s Bar aufstieß. Meine Freundinnen waren schon eifrig ins Gespräch vertieft, als ich an unserem Tisch ankam.
Ich schob mich neben Claire auf die Bank und bestellte ein Bier.
»Was hab ich versäumt?«, fragte ich.
»Ich wünschte, du wärst heute im Gerichtssaal dabei gewesen, Lindsay«, sagte Yuki strahlend. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter wirkte sie munter und lebendig. »Garza hat ein Eigentor geschossen«, sagte sie. »Und was für eins!«
»Ich will alles hören. Lass nur ja kein Wort aus.«
Yuki hatte getrunken, kein Zweifel. Sie nahm meine Aufforderung wörtlich, schlüpfte abwechselnd in die Rollen von O’Mara und Garza und wiederholte Wort für Wort , was sie gesagt hatten.
Dann schaltete Cindy sich auch noch ein, und die beiden plapperten wild durcheinander, bis Claire und ich uns vor Lachen schüttelten.
Cindy redete unbeirrt weiter. »Ich meine, das muss man sich mal vorstellen - der Typ hätte doch bloß sagen müssen: ›Naaaaain, ich hatte mit dem Tod dieser Patienten nichts zu tun!‹«
»Stattdessen verweigert er die Aussage!«, schaltete Yuki sich ein und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ihre Miene war finster, doch innerlich triumphierte sie. »Was für ein Vollidiot - so einen Bock zu schießen!«
»Wenn ihr mich fragt - sein schlechtes Gewissen hat ihn dazu getrieben«, fügte Cindy hinzu. »Je mehr ich mich in Garzas Vergangenheit vertiefe, desto klarer wird mir, was für eine Niete er ist.«
»Erzähl uns mehr«, sagte ich und hielt mein leeres Glas hoch. Loretta zwinkerte mir zu und kam mit einem frischen Bier und den laminierten
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