Die 5 Plage
Speisekarten an unseren Tisch.
»Zum Beispiel«, fuhr Cindy fort, »hat er mehr als einmal unter zweifelhaften Umständen seinen Job verloren. Nicht gerade › Sie sind gefeuert ‹, aber definitiv › Hier ist Ihr Hut. Da ist die Tür. ‹ Mindestens einmal ist er vor einer Klage wegen sexueller Belästigung davongelaufen.«
»Wieso überrascht es mich nicht, dass Garza ein Schürzenjäger ist?«, meinte Yuki. »Dieses arrogante Miststück. Selbstverliebt bis zum Gehtnichtmehr.«
Cindy nickte eifrig. »Und um aufs eigentliche Thema zurückzukommen - mit seinen Patienten passieren einfach allzu viele ›Missgeschicke‹. Wenn ich nicht schon von ähnlichen Fällen gehört hätte, würde ich sagen, es ist schier unglaublich.«
»Das ist es ja, was mich ganz kribblig macht«, sagte Claire. »Nur rund ein Zehntel aller Kunstfehler in Krankenhäusern werden überhaupt je bekannt . In den meisten Fällen bleiben die Fehler ohne fatale Folgen - kein Problem also. Der Patient überlebt und geht nach Hause.
Aber selbst wenn Patienten unter höchst fragwürdigen Umständen sterben - die Leute halten doch die Ärzte immer noch für Halbgötter in Weiß und glauben alles, was sie ihnen erzählen. Das hab ich selbst erlebt.«
»Aber ich zähle mich nicht zu diesen Leuten. Ich sehe das inzwischen ganz anders«, meinte Yuki, und ihr Lächeln verdüsterte sich. Es war, als beobachtete man eine Mondfinsternis. »Ich halte Dennis Garza nicht für einen Halbgott. Ganz im Gegenteil. Ich weiß , dass er ein Teufel ist.«
74
Yuki lag auf dem Rücken im Bett und sah zu, wie die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos zuckende Muster auf die Zimmerdecke malten.
Sie war in der Nacht so oft aufgewacht, dass sie sich nicht sicher war, ob sie überhaupt geschlafen hatte. Jetzt, kurz vor sechs Uhr morgens, war sie so hellwach, als wäre ein Feueralarm unter ihrem Kopfkissen losgegangen.
Sie warf die Bettdecke zurück und ging zu ihrem Schreibtisch, um den Computer hochzufahren. Drei Harfentöne erklangen, als sie die Verbindung zum Internet herstellte.
Schon beim ersten Versuch hatte sie seine Adresse heraus. Er wohnte keine zwei Meilen von ihr entfernt.
Und er war ein Teufel.
Yuki warf ihren Trenchcoat über den blauen Satinpyjama und fuhr mit dem Aufzug hinunter in die Parkgarage, wo sie ihren Wagen aufschloss, einstieg und sich anschnallte.
Sie war wie in einem Rausch, fühlte sich unverwundbar - wie jemand, der sich bei heftigem Wind auf das Fenstersims eines Hochhauses stellt, nur um die Aussicht zu genießen. Sie ließ den Motor aufheulen und raste die enge, steile Häuserschlucht der Jones Street hinunter. No risk, no fun - oder?
An der Washington bremste sie, sah zu, wie das Cable Car über die Gleise ratterte, und trommelte nervös aufs Lenkrad. Dann wartete sie noch eine Minute voller Ungeduld hinter einem Schulbus, der an einer Haltestelle hielt, ehe sie nach links in die Pacific einbog.
Yuki gab Gas. Sie musste an ihren Vater denken. Als er gestorben war, war sie nicht so durchgedreht. Sie hatte ihn geliebt. Sie hatte um ihn getrauert und würde ihn nie vergessen, solange sie lebte.
Aber der Tod ihrer Mutter war etwas anderes. Es war eine tiefe Wunde in ihrer Seele, und die Ungeheuerlichkeit dessen, was ihr widerfahren war, machte den Verlust noch schwerer zu ertragen. Über Keikos Tod würde sie nie hinwegkommen.
Der Nebel verzog sich, als sie in die Filbert Street einbog. Sie las die Hausnummern an Wohnhäusern, die diese teure Straße säumten, und fand die 908 in der Mitte des Blocks.
Die Fassade des hohen, dreigeschossigen Hauses war blassgelb verputzt und mit weißen Streifen abgesetzt, die wie Zuckerguss wirkten.
Yuki parkte auf der anderen Straßenseite und blieb im Wagen sitzen, während der Morgen heraufdämmerte, der Beginn eines scheinbar normalen Tages. Sie wartete lange, stundenlang, und sie kam sich mehr und mehr vor wie eine Wahnsinnige.
Der FedEx-Mann holte ein Paket ab. Ein mexikanisches Kindermädchen schob einen Sportwagen mit Zwillingen, während ein Terrier an der Leine hinterherlief. Alltägliche Aktivitäten, alle überschattet von ihrer eigenen Traurigkeit.
Dann wurde das Garagentor des gelben Hauses geöffnet. Ein schwarzer Mercedes fuhr rückwärts heraus.
Da war er. Das widerliche Schwein.
Yuki beschloss, ihm zu folgen - so spontan, dass es mehr ein Instinkt als eine bewusste Entscheidung war.
Die beiden Autos fuhren im Tandem die Leavenworth hinunter, rasten um enge Kurven, die
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