Die 5 Plage
antwortete Whiteley. »Laut Institut für Medikamentensicherheit sterben allein siebentausend Menschen jedes Jahr durch falsche Medikationen.«
Yuki schrieb eifrig mit, hielt alles fest. Die Fakten waren schockierend, aber was Whiteley sagte, war ihr im Grunde egal. Er war ein Schönredner, ein gewiefter Manager, doch er war nur der Einheizer für den Star. Während der letzten Pause hatte Yuki einen verstohlenen Blick auf den Tisch der Verteidigung geworfen.
Sie hatte die Zeugenliste gesehen.
Die ganze Woche wartete sie schon auf den nächsten Zeugen, der im Prozess aussagen würde.
Sobald Kramer mit Whiteley fertig war, würde er Dr. Dennis Garza aufrufen.
70
Kramer ordnete seine Papiere, während Dennis Garza vereidigt wurde, und dachte: Man kriegt nicht immer die Zeugen, die man sich wünscht. Man muss mit den Zeugen leben, die man kriegt.
Kramer blickte auf und sah, wie der zweifellos gut aussehende Arzt sein Armani-Jackett glatt strich, während er im Zeugenstand Platz nahm. Er zupfte die Manschetten seines maßgeschneiderten Hemds zurecht, schlug die Beine übereinander und lehnte sich mit hoch erhobenem Haupt entspannt zurück.
Garza erinnerte eher an einen Hollywood-Schauspieler als an einen Mann, der sechzig Stunden die Woche mit beiden Händen in Blut und Gedärmen herumwühlte.
Aber das war noch nicht einmal das Problem.
Was Kramer Kummer bereitete, war, dass Garza ebenso unberechenbar wie eingebildet war. Er hatte sich geweigert, seine Antworten vorher einzuüben, mit der Begründung, dass er nach zweiundzwanzig Jahren in der medizinischen Praxis durchaus in der Lage sei, sich selbstständig zu den Vorwürfen gegen das Krankenhaus zu äußern.
Kramer hoffte inständig, dass er recht hatte.
Garzas Aussage könnte für den Ausgang des Prozesses ausschlaggebend sein. Es war so weit. Kramer lächelte angespannt und begrüßte seinen Zeugen.
»Dr. Garza, ist Ihnen bekannt, welche Vorwürfe von den Klägern erhoben werden?«
»Ja. Und ich habe großes Mitgefühl mit den Angehörigen.«
»Ich werde Sie speziell auf diejenigen Patienten ansprechen, die in die Notaufnahme eingeliefert wurden, während Sie dort Dienst hatten.«
Kramer befragte Garza, und mit jeder Minute wuchs seine Zuversicht, während der Arzt in ruhigem, glaubwürdigem und bestimmtem Ton für alle Todesfälle eine plausible Erklärung vorbrachte. Garza war in glänzender Form.
»Erkennen Sie irgendein Muster, das diese Todesfälle miteinander verbindet, Dr. Garza?«
»Ich erkenne nur das Fehlen eines Musters«, antwortete Garza und strich sich das dichte Haar aus der Stirn. »Ich sehe die unvorhersehbaren, bedauerlichen Fehler, die Tag für Tag in jedem Krankenhaus dieses Landes passieren. Und übrigens auch überall sonst auf der Welt.«
»Danke, Dr. Garza. Ihr Zeuge«, wandte sich Kramer an O’Mara.
Er sah zu, wie Maureen O’Mara ans Pult trat, und ihr Gesichtsausdruck warf einen eiskalten Schatten auf das zarte Pflänzchen seiner Erleichterung. Er kannte Maureen. Er hatte schon mehrmals mit ihr zu tun gehabt. Sie war immer bestens vorbereitet, eine gewiefte Taktikerin, ein Ass im Kreuzverhör.
Aber jetzt sah er etwas in ihrem Gesicht, was ihn beunruhigte.
Er sah ihre kaum verhohlene Vorfreude.
71
Yuki beugte sich auf ihrem Stuhl vor, als Maureen sich an den Zeugen wandte.
»Dr. Garza, Jessie Falk war ihre Patientin, nicht wahr? Erinnern Sie sich an Jessie Falk?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Euer Ehren, es wurde festgestellt, dass Jessie Falk wegen Herzrhythmusstörungen ins Municipal eingeliefert wurde. Und dass ihr Tod die Folge einer irrtümlichen Verabreichung von Epinephrin war, das bei ihr zum Herzstillstand und schließlich zum Tod führte.«
»Mr. Kramer?«, fragte der Richter.
»Das ist korrekt, Euer Ehren.«
»Dann sind die Parteien sich über den Tatbestand einig.«
Yuki spürte die Anspannung, die in der Luft lag, und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, was der junge Mann, der nur drei Reihen vor ihr saß, in diesem Moment empfand - der Witwer der verstorbenen Patientin.
»Dr. Garza, wie ist Mrs. Falk gestorben?«
»Wie Sie bereits sagten, hat ihr Herz versagt.«
»Das ist richtig, Dr. Garza. Aber ich meinte, ob Sie uns ihren Tod so schildern können, dass wir uns ihre letzten Momente besser vorstellen können.«
Larry Kramer sprang sofort auf. »Einspruch! Euer Ehren, die Vertreterin der Anklage versucht die Geschworenen zu beeinflussen. Das ist ungeheuerlich.«
»Euer Ehren, ich frage
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