Die 5 Plage
auf den Augen gefunden wurden«, sagte ich.
»Ich kann sie Ihnen in Ihr Büro faxen.«
»Danke«, erwiderte ich und verschränkte die Arme. »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber ich warte lieber.«
68
Als ich durch den nicht allzu dichten Nachmittagsverkehr zum Präsidium zurückfuhr, steckte mir die hitzige Konfrontation mit Whiteley noch in den Knochen - und vom Anblick dieser verdammten Knöpfe hatte ich noch immer eine Gänsehaut.
Was in Gottes Namen hatte das alles zu bedeuten?
Knöpfe mit dem Emblem des Arztberufs auf die Augen von Toten zu legen, war makaber und abartig. Erlaubte sich da irgendwer einen schlechten Scherz, wie Whiteley behauptete? Oder vertuschte das Krankenhaus eine lange zurückreichende Serie von Morden?
Die Liste der Verstorbenen, die Whiteley mir gegeben hatte, lag neben mir auf dem Sitz.
An der Kreuzung California und Montgomery hielt ich vor der roten Ampel, schaltete die Innenbeleuchtung ein und schlug die Mappe auf. Sie enthielt eine zwei Seiten lange Tabelle - die Namen von zweiunddreißig Patienten, die in den letzten drei Jahren mit Knöpfen auf den Augenlidern tot aufgefunden worden waren. Um Himmels willen!
Die Spalten waren überschrieben mit »Name des Patienten«, »behandelnde Ärzte«, »Todesdatum« und »Todesursache«.
Ich überflog die Angaben und blätterte weiter.
Leo Harris war der letzte Name auf der Liste, und gleich darüber stand - Keiko Castellano.
Mein Herz machte einen Satz, als mein Blick auf den Namen von Yukis Mom fiel.
Im Geist hatte ich ihr freundliches Gesicht vor mir, und dann sah ich diese schrecklichen Knöpfe auf ihren Augen.
Wütendes Gehupe riss mich aus meiner Trance.
»Okay, okay!«, rief ich und legte den Gang ein. Der Explorer machte einen Satz nach vorne, als ich aufs Gaspedal trat.
Und meine Gedanken begannen auch zu rasen.
Whiteley hatte gesagt, er wolle nicht, dass die Geschichte mit den Knöpfen bekannt wurde - aber eine schäbige Vertuschungsaktion war noch kein Mordbeweis.
Wir hatten schon jetzt so viele unzweifelhafte Mordfälle aufzuklären, dass wir sie mit dem vorhandenen Personal kaum bewältigen konnten. Ich würde mehr als eine Handvoll Knöpfe und eine Liste mit Namen brauchen, wenn ich mit der Sache zu Tracchio oder zur Staatsanwaltschaft gehen wollte.
Wenn ich Antworten auf meine Fragen wollte, würde ich den normalen Dienstweg umgehen müssen.
Und ich würde einen Freund um einen Riesengefallen bitten müssen.
69
Die Mittagspause war vorbei, und Yuki nahm ihren Platz im Gerichtssaal wieder ein. Larry Kramer war in die Beweisführung für seinen Mandanten, das Municipal Hospital, eingetreten. Und Yuki hatte zugesehen, wie Maureen O’Mara seine Zeugen hart ins Kreuzverhör genommen hatte.
Es ging lebhaft zur Sache, und die Medien hatten ihre Show, aber für Yuki waren es emotional belastende, aufreibende Tage.
Sie versuchte, in den Mienen der Geschworenen zu lesen, und es schien ihr, dass die Parade von Zeugen, die Kramer aufgefahren hatte, die zwölf Männer und Frauen überzeugt hatte. Sie hatten immer wieder genickt, wenn ein Arzt oder irgendein schlauer Experte eine scheinbar einleuchtende Erklärung für jene Todesfälle vorgetragen hatte, die nie hätten passieren dürfen.
Yuki schlug ihren Block auf und las nach, was sie sich zur Aussage von Carl Whiteley an diesem Morgen notiert hatte. Der Krankenhausdirektor hatte auf Kramers milde formulierte Fragen gewandt und sicher, bisweilen gar humorvoll geantwortet.
Dann hatte O’Mara den Direktor in die Mangel genommen und ihm die gleiche Frage gestellt wie allen anderen: »Trifft es nicht zu, dass die Zahl der Todesfälle durch falsche Medikation sich seit der Privatisierung des Municipal vor drei Jahren mehr als verdreifacht hat?«
Whiteley hatte dies bestätigt - aber im Gegensatz zu Sonja Engstrom hatte er sich nicht in Widersprüche verstricken lassen. Er beschönigte die individuellen Todesfälle und warf O’Mara landesweite Statistiken an den Kopf, Daten über Daten, bis die Geschworenen nur noch Bahnhof verstanden.
»Möchten Sie den Zeugen erneut vernehmen, Mr. Kramer?«
»Ja, Euer Ehren.«
Kramer erhob sich, blieb aber am Tisch der Verteidigung stehen, während er zu dem Zeugen sprach. »Noch einmal zu dieser Statistik, die Sie zitiert haben, Mr. Whiteley. Zwischen fünfzigtausend und hunderttausend Patienten sterben in den USA jährlich infolge medizinischer Irrtümer. Diese Zahlen sind allgemein bekannt?«
»Das ist richtig«,
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