Die 5 Plage
machen.«
»Heute Abend?«
» Unbezahlte Überstunden.«
»Ach, so was Dummes, Lieutenant, jetzt fällt’s mir wieder ein - ich hab Karten für die Oper...«
»Weil ich nämlich mein Überstundenbudget für diesen Monat schon aufgebraucht habe. Und weil ich kein eindeutiges Opfer vorweisen kann. Und weil ich selbst nicht mal weiß, womit wir’s hier verdammt noch mal zu tun haben.«
Jacobi ließ sich erweichen. Er wusste, dass ich dasselbe auch für ihn tun würde.
Als die Spätschicht Feierabend machte und die ersten Beamten der Nachtschicht im Kommandoraum eintrudelten, waren Jacobi und ich noch immer damit beschäftigt, die Namen von sechshundert Mitarbeitern des Municipal durch die Datenbank zu jagen.
Wir entdeckten Ärzte mit hässlichen Flecken auf dem weißen Kittel und einfache Angestellte mit Vorstrafen wegen häuslicher Gewalt, Körperverletzung, bewaffneten Raubüberfalls, Drogenmissbrauchs und - immer wieder - Trunkenheit am Steuer.
Mein Drucker spuckte eine Zusammenfassung der Daten zu den »Knopf-Opfern« aus.
Ich las sie Jacobi vor.
»Alle zweiunddreißig Opfer wurden über die Notaufnahme eingeliefert, und die Hälfte davon wurde von Garza untersucht.
Die Opfer waren schwarz, weiß, braun und von jeder denkbaren Schattierung dazwischen. Sie waren zwischen siebzehn und dreiundachtzig Jahre alt, und die Verteilung der Todesfälle über die letzten drei Jahre folgt keinem erkennbaren Muster.«
»Also, Boxer, du sagst im Grunde, dass es kein Opferprofil gibt. Wenn die zweiunddreißig ›Knopf-Opfer‹ tatsächlich ermordet wurden - und das ist ein dickes, fettes Wenn ...«
»Du hast recht. Ich bin mit meinem Latein am Ende, Partner. Alles, was ich in der Hand habe, ist diese bizarre Signatur - das Einzige, was die Opfer miteinander verbindet.«
Jacobi bekam einen Hustenanfall. Die immer noch nicht ganz verheilte Schusswunde in der Lunge zwickte ihn ständig und machte ihm höllisch zu schaffen. Schließlich beschwerte er den Stapel Papiere mit einem Hefter und stand auf, um seine Jacke anzuziehen.
»Eines ist ja wohl klar - niemand spricht von Mord außer Yuki. Und worauf gründet sie ihren Vorwurf? Dass sie den Typ hasst?«
»Ich verstehe, was du meinst, Warren. Aber Knöpfe auf den Augen von Toten - das hat doch irgendetwas zu bedeuten. Red es mir aus, wenn du denkst, ich bin verrückt. Mir geht die Sache jedenfalls nicht mehr aus dem Kopf.«
76
Ich dachte über das kranke Hirn nach, das hinter dieser Geschichte mit den Knöpfen stecken musste, als ich an diesem Abend nach Hause fuhr. Und ich fragte mich wieder einmal, ob Yuki und ich unter Wahnvorstellungen litten, oder ob es diesen Psychopathen tatsächlich gab, der im Municipal Hospital reihenweise die Patienten ermordete.
Ohne dass ihn irgendjemand daran hinderte.
Oder es auch nur versuchte.
Als ich vor meiner Wohnungstür stand, konnte ich mich kaum noch erinnern, wie ich dorthin gelangt war. Ich brachte den Boxenstopp in Rekordzeit hinter mich und saß schon bald wieder in meinem Explorer, auf dem Weg ins Krankenhaus.
Auf dem Weg zum Tatort - zum Schauplatz einer Serie kaltblütiger Morde?
Ich parkte in der Nähe des Eingangs der Notaufnahme und betrat das Gebäude. Ein paar Minuten lang drückte ich mich im Wartezimmer herum, blätterte in einer alten Outdoor-Zeitschrift und versuchte, wie eine ganz normale Besucherin zu wirken.
Dann machte ich einen kleinen Rundgang.
Der Korridor war in kaltes weißes Licht getaucht. Patienten wanderten vorsichtig mit ihren Krücken und Infusionsständern umher, Schwestern und Ärzte marschierten zielstrebig an ihnen vorbei, ohne nach links oder nach rechts zu schauen.
Ich behielt die Hände in den Taschen, meine Baseballkappe tief in die Stirn gezogen, und hoffte, dass meine Glock sich unter der weichen, geschlossenen Jacke nicht allzu deutlich abzeichnete.
Ehrlich gesagt, ich hatte selbst nicht die geringste Ahnung, wonach ich eigentlich suchte.
Wenn ich mich ein wenig umsähe, würde es vielleicht irgendwann klick machen, und die ganzen mysteriösen Todesfälle, die Statistiken, all die unübersehbaren Indizien würden sich zu dem eindeutigen Bild eines Serienverbrechens zusammensetzen - vielleicht des schlimmsten, das San Francisco je erlebt hatte.
Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich im Grunde hier im Krankenhaus nichts verloren hatte. Ich war Lieutenant beim Morddezernat, nicht irgendeine Privatdetektivin, und Tracchio würde mir den Kopf abreißen, wenn er wüsste, dass
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