Die 5 Plage
bereitete mir Kopfzerbrechen.
Wie konnte Garza die Knöpfe auf die Augen des Toten gelegt haben?
98
Cindy saß an ihrem Schreibtisch in der Lokalredaktion der Chronicle und feilte an ihrem Artikel, bastelte noch an letzten Feinheiten. Der Redaktionsschluss saß ihr im Nacken, aber dennoch war sie froh, als das Telefon klingelte und sie den Namen auf dem Display las.
Sie nahm den Hörer ab und dachte: Prima. Vielleicht können wir zusammen was Kleines essen gehen.
»Cindy, was hast du dir dabei gedacht?«, blaffte Lindsay ihr ins Ohr. Sie schrie fast. »Ich hatte dich gebeten, nichts über Garza zu schreiben, und du warst einverstanden.«
»Linds, ich musste es tun«, antwortete Cindy und dämpfte dabei ihre Stimme, damit nicht alle Welt mithörte. »Von meiner Quelle im Municipal weiß ich, dass Garza vor den Verwaltungsrat des Krankenhauses zitiert wurde...«
»Das beweist rein gar nichts, Cindy.«
»Hast du den Artikel gelesen? Ich habe geschrieben - ich zitiere: ›In Verdacht geriet der Leiter der Notaufnahme, Dr. Dennis Garza.‹ Verdacht - das bedeutet unbegründete Spekulationen. Mein Gott, Lindsay, der Typ ist letzte Woche vor Gericht total zusammengeklappt. Das rechtfertigt doch wohl ein paar Zeilen, oder nicht?«
»Was ist, wenn er sich mehr als nur ein paar Kunstfehler hat zuschulden kommen lassen? Was ist, wenn er sich dadurch, dass du ihn ins Rampenlicht gezerrt hast, genötigt sieht unterzutauchen? Was ist, wenn er seine Koffer packt und aus San Francisco verschwindet?«
»Was meinst du damit - ›mehr als nur ein paar Kunstfehler‹?«
»Ich weiß nicht, was ich damit meine«, erwiderte Lindsay pikiert. »Ich arbeite noch daran.«
»Ich auch«, sagte Cindy. » Dir habe ich diese Story jedenfalls nicht zu verdanken. Es ist ganz allein meine. Es war von Anfang an meine Story, und es ist einfach nicht in Ordnung, dass du mich hier zusammenscheißt, nur weil ich meinen Job mache.«
Eisiges Schweigen folgte; nur das Rauschen in der Leitung war zu hören. Cindy spürte, wie die Sekunden sich auftürmten. Es ging ihr so manches durch den Kopf, was sie lieber nicht laut sagen wollte. Aber es lief letzten Endes darauf hinaus, dass Lindsay ihr Druck machte, bloß weil sie befreundet waren und sie es sich deswegen leisten zu können glaubte. Und das war wirklich ganz schön daneben.
»Dutzende von Reportern sind an dieser Story dran, Lindsay! Ob ich die Sache als Erste bringe oder jemand anderes - Garza kriegt seine Schlagzeilen so oder so.«
Lindsay seufzte ihr ins Ohr und sagte: »Ich hatte gehofft, dass ich mehr Zeit hätte.«
»Tja, dann hast du wohl geträumt.«
Sie beendeten das Gespräch in frostiger Atmosphäre.
Cindy legte den Hörer auf und sah auf ihren Notizblock hinunter. Sie las die Worte, die sie soeben hingekritzelt hatte: Mehr als nur ein paar Kunstfehler.
99
Nach meiner »Nachtschicht« im Municipal Hospital war ich hundemüde und unendlich frustriert. Als ich die Morgenzeitung in den Papierkorb unter meinem Schreibtisch warf, war ich mir ziemlich sicher, was in Cindys nächstem Artikel stehen würde - dass im Municipal Menschen ermordet würden und dass das SFPD nichts dagegen unternähme.
Es wurde allmählich Zeit, dass ich meine privaten Ermittlungen einstellte und den »Messingknopf-Fall« offiziell machte, bevor sich unter dem Präsidium ein gewaltiges Loch auftat und mich verschlang.
Ich griff zum Hörer und rief den Chief an. »Tony, ich muss Sie sprechen«, sagte ich. »Es ist dringend.«
Das Flower Market Café an der Ecke Brannan und Sixth liegt in der Nähe der Auffahrt zur Interstate 280 Richtung Süden, nur wenige Blocks vom Präsidium entfernt. An jedem anderen Tag hätte ich die gemütliche Atmosphäre des Lokals genossen, mit seinem hübschen Fliesenboden, der dunklen Holzverkleidung und dem Blick auf die Stände des Blumenmarkts.
Nur nicht heute.
Tracchio und ich setzten uns an einen der kleinen runden Tische und bestellten Sandwiches.
»Schießen Sie los, Boxer«, sagte er.
Ich empfand es als Erleichterung, ihm alles erzählen zu können - von der Sache mit Yukis Mutter über die dreiunddreißig toten Patienten mit Knöpfen auf den Augen, die Gerüchte und die Statistiken, bis hin zum laufenden Kunstfehlerprozess gegen das Municipal Hospital.
Ich erzählte ihm auch von dem miserablen Ruf, den Garza sich in diversen Krankenhäusern in verschiedenen Teilen des Landes erworben hatte, und endete mit einem Bericht über Jacobis Observierungsaktion und
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