Die 5 Plage
Drei-Neun-Null, fährt auf der Jones Richtung Norden«, sagte er, als sie die Lombard und die Francisco überquerten, ohne anzuhalten. An der Columbus bremste Conklin, und sie gaben erneut ihre Position durch.
Im Funkgerät knackte es. Ein anderes Team hatte die Verfolgung des Mercedes übernommen; sie gaben die Querstraßen durch und meldeten dann: »Sieht aus, als ob er Richtung Cannery South unterwegs ist.«
Conklin schaltete den Frontblitzer ein. Er lenkte den Wagen scharf nach rechts und fuhr dann ein Stück weit parallel zur Columbus. Es war ein Umweg zu Garzas mutmaßlichem Zielort, Ghirardelli Square.
Jacobi wies Conklin an, an der Beach Street nahe der Ecke Hyde zu parken. »Er müsste jeden Moment hier vorbeikommen.«
Es war die abendliche Rushhour; der Verkehr floss zäh, und die Gehsteige waren immer noch mit Passanten verstopft, die die Auslagen der Straßenverkäufer zwischen der Beach Street und dem Strand bewunderten.
»Das ist er«, sagte Conklin.
Jacobi sah, wie der schnittige kleine Roadster vor ihnen am Straßenrand hielt. Der Mann, der auf der Fahrerseite ausstieg, trug einen eleganten Kaschmir-Mantel von Armani; sein dunkles Haar fiel in Wellen über den Kragen.
Jacobi sah mit Bestürzung, wie Garza direkt auf ihren Wagen zukam. Verdammt. Der Arzt klopfte an das Beifahrerfenster.
Jacobi ließ die Scheibe herunter und blickte gelangweilt zu Garza auf.
»Augenblick, Inspector. Ich bin gleich wieder da«, sagte Garza. Er überquerte die Straße und die Cable-Car-Gleise und betrat das beige verputzte Gebäude mit dem roten Neon-Schriftzug »Buena Vista«.
Durch die Glasfront konnte Jacobi beobachten, wie Garza am Tresen eine Bestellung aufgab.
»Was soll denn das?«, fragte Conklin ungläubig. »Nicht genug, dass er uns erkannt hat, jetzt verarscht er uns auch noch. Das ist wirklich ziemlich übel.«
Jacobi merkte, dass er Kopfschmerzen bekam. Dass Garza ihnen ein Schnippchen schlug, hatte nicht im Plan gestanden. Was sollte er dem Jungen sagen?
»Tja, das ist schon ein Schlag ins Gesicht, Richie«, meinte er. »Aber noch ist nicht aller Tage Abend.«
Jacobi stierte verdrossen aus dem Autofenster, als Garza das Café verließ, an der Fußgängerampel wartete, bis er Grün hatte, die Straße überquerte und wieder auf den Einsatzwagen zukam. Er klopfte ans Fenster und reichte Jacobi zwei Kaffeebecher im Plastikhalter.
»Er ist schwarz und stark«, sagte Garza. »Sie haben noch eine lange Nacht vor sich.«
»Danke. Sehr aufmerksam von Ihnen«, erwiderte Jacobi. »Ich hoffe, ich kann mich bald mal revanchieren.«
Jacobi sah Garza nach, als dieser zu seinem Mercedes zurückging, einstieg und den Blinker setzte, bevor er sich in den Verkehr einordnete. Jacobi rief die Leitstelle an und sagte: »Wir brauchen einen Wagen, der die Observierung übernimmt. Der Verdächtige fährt auf der Hyde Richtung Süden und hält sich strikt an die Verkehrsregeln.«
Jacobi hängte das Mikrofon wieder in die Halterung.
»Er wird einen Fehler machen«, sagte er zu Conklin, mit einer Überzeugung, die er selbst nicht empfand. »Irgendwann macht jedes von diesen neunmalklugen Arschlöchern einen Fehler.«
Jacobi zog den Deckel von einem der Kaffeebecher, schüttete ein Tütchen Zucker hinein, rührte um und nippte vorsichtig daran.
101
Es war abends Viertel vor neun, doch auf den hell erleuchteten Krankenhausfluren ging der Tag nahtlos in die Nacht über. Garza hatte schon vor Stunden sein Büro verlassen und mir zugewinkt, als wären wir alte Freunde. Mit einem selbstzufriedenen Grinsen im Gesicht war er hinausspaziert. Er macht sich einen Spaß daraus, wie?
Während ich durch die Korridore zwischen Notaufnahme und Intensivstation geschlichen war, hatte ich versucht, meine Perspektive zu erweitern.
Vielleicht war Garza ja doch kein Mörder.
Vielleicht roch er ja nur so.
Aber wenn es nicht Garza war, wer dann?
Ich war jetzt schon so viele Tage im selben Revier auf die Pirsch gegangen, dass meine Tarnung aufgeflogen war.
So beschloss ich, neues Territorium zu erkunden, und stieg die Treppe zur Onkologie im dritten Stock hinauf.
Ich hatte gerade die Station betreten, da sah ich etwas, was mir die feinen Härchen im Nacken aufstellte.
Ein weißer Mann um die dreißig, eins achtzig, fünfundsiebzig Kilo, strohblondes Haar unter einer blauen Baseballkappe, mit grauem Kapuzenshirt und schwarzer Cargohose, unterhielt sich auf dem Flur mit einer weißen Krankenschwester mit wettergegerbtem
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