Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
Vom Netzwerk:
hatte drei Tage, um den von Gould zu finden.
    Ich vergaß erst mal die Politik und die strategischen Recherchen, die Berichte des Handelsministeriums und den ganzen Washington-Scheiß, den ich für unverzichtbar gehalten hatte, um den Job zu erledigen. Stattdessen dachte ich einfach über den plumpen Bürokraten Gould nach, der draußen in Bethesda lebte, über seine Wünsche, seine Ängste.
    Während ich ihn in den vergangenen Wochen beobachtet hatte, waren mir ein paar Sachen aufgefallen, bescheuerter Kleinkram, den ich nicht für wichtig genug gehalten hatte, um ihn den Bossen mitzuteilen, weil ich mir selbst nicht hundertprozentig sicher war, was er bedeutete. Goulds Haus war für Bethesda bescheiden, und er fuhr einen fünf Jahre alten Saab 9-5. Aber der Bursche war ein Modefetischist – zwei- oder dreimal die Woche kaufte er sich neue Klamotten bei J. Press, Brooks Brothers oder Thomas Pink. Er kleidete sich wie ein Edelganove aus einem Billy-Wilder-Film: jede Menge Tweed und hüpfende Wale auf Hosenträgern, dazu Fliegen in Kontrastfarben. Außerdem war er ein Feinschmeckerchen und postete in einem Online-Forum namens Don Rockwell unter dem Namen LafiteForAKing – meistens zerriss er sich das Maul über unbotmäßige Kellner. jede Woche ließ er sicher ein paar Hundert Dollar nur beim Lunch: Er hatte seinen Tisch im Central und bevorzugte den Hummer-Burger.
    Aber dann geht unser Gourmand pünktlich jeden zweiten Donnerstag ins Five Guys, einen herrlich fetttriefenden Hamburger-Schuppen. Die Fast-Food-Kette hatte ihren ersten Laden in DC aufgemacht und sich dann über die gesamte Ostküste ausgebreitet. Er bestellte immer einen kleinen Cheeseburger – nur eine Hackfleischscheibe – und verließ den Laden dann mit einem Doggybag. Ich bin der letzte Mensch auf Erden, der jemandem seine gelegentliche Cholesterinbombe missgönnen würde. Aber irgendetwas stimmte nicht. Der Restebeutel deutete auf eine übermenschliche Selbstdisziplin hin, über die Gould nicht verfügte, das wusste ich. Und es passte nicht dazu, dass er für Essen und Kleidung so viel Geld ausgab. Also war ich misstrauisch. Aber in erster Linie war ich verzweifelt, vielleicht jagte ich nur Gespenstern nach. Ich versuchte eben alles, um meinen Hals zu retten.
    Inzwischen hatte ich nur noch einen Tag bis zu Davies’ Treffen mit Gould, bis zum Angebot. Ich konnte nichts anderes tun, als Gould auf den Fersen zu bleiben und auf einen Glückstreffer in letzter Sekunde zu hoffen. Ich passte ihn ab, als er sein Büro verließ, um ins Five Guys zu gehen. Exakt im Zeitplan. Was mir dann auffiel, schreibe ich mal meinen unheimlich columbomäßigen Ermittlerfähigkeiten zu: Sein Gang kam mir irgendwie nervös vor, er schaute die ganze Zeit auf den Tisch, die Schachtel mit den Resten seines Burgers war zum ersten Mal nicht fast transparent von Fettflecken. Vielleicht war es einfach Verzweiflung und Glück. Vielleicht wurde mir aber auch nur der Druck des ehrbaren Lebens zu viel. Vielleicht dachte ich: scheiß drauf, mach jetzt einfach was echt Bescheuertes, dann schnappen sie dich und Schluss. Was es auch war, jedenfalls musste ich herausfinden, was sich in der braunen Tüte befand.
    Er ging vom Lunch direkt in seinen Club – den Metropolitan Club, ein wuchtiger Ziegelsteinbau, einen Block vom Weißen Haus entfernt. Er war während des Bürgerkriegs ge gründet worden, und bis auf wenige Ausnahmen war jeder Präsident seit Lincoln Mitglied gewesen. Er bildete das gesell schaftliche Zentrum der Finanzministerium-Pentagon-Big Business-Szene.
    Die liberaleren Künstlertypen – Journalisten, Akademiker, Schriftsteller – versammelten sich eher im Cosmos Club in Dupont Circle. Die Mitgliedschaft im Met war ein untrügliches Kennzeichen dafür, dass man jemand war. Da ich ein niemand war, musste ich improvisieren.
    Gould marschierte schnurstracks hinein, ging am Empfang vorbei und bog nach links in Richtung eines der Clubzimmer ab. Ich versuchte ihm zu folgen. Vier Stewards, untersetzte Südasiaten, standen in Habachtstellung neben dem Empfang. Sie hielten mich auf wie eine Ziegelmauer. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    Es dauerte eine Sekunde, bis ich begriff, dass ich perfekt ins Ambiente passte. Meine Sekretärin hatte mir in meiner zweiten Woche bei Davies einen italienischen Schneider ins Büro bestellt. Ich sollte es nicht persönlich nehmen, aber ich benötigte ein paar anständige Anzüge. Ich hatte noch nie einen leibhaftigen italienischen Schneider

Weitere Kostenlose Bücher