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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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Vater wäre nicht einmal auf die Idee gekommen.
    Keiner wusste, warum er das gemacht hatte. Und er hielt den Mund. Kein einziges Wort in all den Jahren. Ich habe immer vermutet, dass irgendwer ihn dazu angestiftet hatte. So eine Sache passte einfach nicht zu ihm. Aber er weigerte sich, mit dem Staatsanwalt zusammenzuarbeiten, er saß bei jedem Verhör einfach da und starrte ihn schweigend an. Er vertraute niemandem, der ein öffentliches Amt innehatte, niemandem, der einem Politiker auch nur ähnelte. Er hielt das ganze Justizsystem für eine Art Trickbetrug, in dem er das Objekt war. Ich konnte ihn verstehen. Die Regierung hatte sein Familienunternehmen mit Steuern drangsaliert, und als die Gießerei pleite ging, stürzten sich »ehrbare« Geschäftsleute auf das Unternehmen wie die Geier auf einen Kadaver. Oder es lag daran, dass er sich lange Jahre als anständige, aufrechte Stüt ze der Gesellschaft ausgegeben hatte, aber immer wusste, dass er eben doch ein Hochstapler war. Vielleicht witterte er Betrug hinter allem, was sich den Anschein von Ehrbarkeit gab.
    Nachdem er sich jeder Art von Deal verweigert und ich all die Jahre immer wieder darüber nachgedacht hatte, war ich zu dem Schluss gekommen, dass er einfach ein kleiner engstirniger Vorstadtgauner war. Er begriff nicht, dass er sich selbst helfen konnte, wenn er den Strafverfolgungsbehörden half, das Geben und Nehmen in der Politik, genau dasselbe, was wir bei der Davies Group auch machten. Nein. Für ihn war es einfach. Nie reden. Schütze deine Leute. Sitze deine Zeit ab. Dieser Kodex – die Ganovenehre – riss unsere Familie auseinander. Ich konnte ihm nie verzeihen, dass er diesen Kodex uns vorgezogen hatte, dass er meine Mutter, meinen Bruder und mich im Stich gelassen hatte.
    Mein halbes Leben habe ich versucht, eine Antwort auf die eine Frage zu finden: Warum in ein leeres Haus einbrechen? Während der Zeit des Prozesses habe ich ihn und meine Mutter belauscht, die Kämpfe und die Tränen jenseits der dünnen Wand zwischen ihrem Schlafzimmer und unserem Zimmer, wo unter mir im Stockbett mein Bruder lag und schlief. Ich erinnere mich daran, wie sie ihn eines Nachts anflehte: »Sag ihnen einfach, was passiert ist. Sag ihnen alles.«
    Ich glaubte, aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Wie man nach den Regeln spielte, wie man sich mit den Mächtigen arrangierte. Und das hatte ich ihm ja verdammt noch mal auch bewiesen. Zumindest glaubte ich das. Bis mich mein neuer Job in Handschellen und Begleitung einer Handvoll Nutten und Methsüchtiger ins Montgomery County Jail brachte.

8
    M eine jahrelangen Bemühungen, einen möglichst großen Bogen um Gefängnisse zu machen, hatten mich genau dorthin zurückgeführt. Was natürlich die wichtige philosophische Frage aufwirft: Wenn man in der Zelle auf der Kloschüssel sitzt, und keiner schaut einem zu, ist das dann immer noch erniedrigend?
    Ja, ist es. Und außerdem anstrengend für die Oberschenkelmuskulatur.
    Wir waren in einem nagelneuen kleinen Polizeirevier nicht weit von Poolesville. Teppichboden in der Zelle, die Wände in den Grundfarben gestrichen. Das erinnerte mehr an eine Grundschule als an einen Knast. Es gab nicht mal Gitter, nur Eisentüren mit verstärkten Glasfenstern. Ich war mir bewusst, dass mein Leben gerade die deckellose Schüssel runtergespült wurde, aber irgendwie war alles weniger furchteinflößend als damals, als ich mit neunzehn zum ersten Mal im Knast gesessen hatte. Wahrscheinlich war von Vorteil, dass mein Komplize diesmal ein Mitglied des Repräsentantenhauses und nicht mein Arschloch von Bruder war.
    Vor der Villa hatten sie Walker, den alten Knacker aus dem Nebenzimmer und mich anstatt auf den vergitterten Rücksitz eines Streifenwagens in einen zivilen Crown Victoria verfrachtet. Wir hatten alle eine eigene Zelle. Wir hatten das VIP-Paket.
    Nachdem sie mich ein paar Stunden hatten schmoren lassen, holte mich ein Hilfssheriff aus der Zelle. »Abmarsch«, sagte er und brachte mich in ein Büro, das ein Labyrinth aus Schreibtischen verstopfte.
    »Kann ich ein paar Telefonate machen?«, fragte ich. »Wenn Sie mich verhören wollen, möchte ich, dass ein Anwalt dabei ist.«
    »Tja, können Sie schon, aber …«
    »Ich habe das Recht auf einen Anwalt.«
    Der Hilfssheriff verdrehte die Augen und schob mir das Telefon über den Schreibtisch. Zuerst rief ich Marcus an. Der Arsch hatte mich da reingeritten, er und Davies mussten mich verdammt noch mal auch wieder rausholen. Große

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