Die 6. Geisel - Thriller
Gespräch mit ihren Mandanten vertieft waren.
Schließlich hefteten sich ihre Augen auf die Pflichtverteidigerin
Barbara Blanco, die gerade dem Amokschützen von der Fähre etwas zuflüsterte. Blanco war eine clevere Frau, und mit Alfred Brinkley hatte sie - wie Yuki selbst - einen echten Knaller gezogen.
Blanco hatte für Brinkley auf »nicht schuldig« plädiert, als dieser dem Haftrichter vorgeführt worden war, und sie würde todsicher versuchen, sein Geständnis noch vor Prozessbeginn aus den Akten entfernen zu lassen. Sie würde sich darauf berufen, dass Brinkley während der Tat vollkommen neben der Spur gewesen war und seither permanent unter Medikamenten stand. Und sie würde daran arbeiten, ihn aus dem Strafvollzug herauszubekommen und ihn stattdessen der Psychiatrie zu übergeben.
Bitte, sie konnte es gerne versuchen.
Der Gerichtsdiener rief die Fallnummer auf, und Yukis Puls begann zu rasen, als sie ihren Laptop zuklappte und auf den Richtertisch zuging.
Alfred Brinkley trottete brav hinter seiner Anwältin her. Er sah ganz adrett aus und wirkte viel weniger aufgeregt als bei der Anklageerhebung - und das war auch gut so.
Yuki öffnete die hölzerne Schranke zwischen der Zuschauergalerie und dem eigentlichen Gerichtssaal und nahm neben Blanco und Brinkley vor dem Richtertisch Aufstellung. Sie hob den Blick und sah in die schieferblauen Augen von Richter Norman Moore.
Moore musterte die Angetretenen flüchtig und senkte den Blick wieder auf seinen Terminplan.
»Nun denn. Was halten Sie davon, wenn wir diese Sache recht bald ansetzen, sagen wir am Montag, dem 17. November?«
»Das wäre im Sinne der Staatsanwaltschaft, Euer Ehren«, erwiderte Yuki.
Aber Blanco hatte andere Vorstellungen. »Euer Ehren, Mr. Brinkley hat eine lange Vorgeschichte psychischer Erkrankung. Er sollte gemäß Paragraph 1368 auf seine Prozessfähigkeit hin untersucht werden.«
Moore ließ die Hände auf den Tisch sinken, seufzte und sagte: »In Ordnung, Ms. Blanco. Dr. Charlene Everedt ist aus dem Urlaub zurück, und sie sagte mir heute Morgen, dass sie ein wenig Zeit hat. Sie wird das psychologische Gutachten für Mr. Brinkley übernehmen.«
Er sah Yuki an. »Ms. Castellano, nicht wahr?«
»Ja, Euer Ehren. Das ist reine Verzögerungstaktik«, sagte sie in ihrem üblichen Stakkato-Stil. »Die Vertreterin der Verteidigung will ihren Mandanten aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit bringen, damit der Medienrummel sich legt. Ms. Blanco weiß sehr wohl, dass Mr. Brinkley durchaus in der Lage ist, einen Prozess durchzustehen. Er hat vier Menschen erschossen. Er hat sich selbst gestellt. Er hat seine Tat aus freien Stücken gestanden.
Die Staatsanwaltschaft wünscht einen zügigen Prozess, und den hat sie auch verdient …«
»Mir ist schon klar, was die Staatsanwaltschaft will, Ms. Castellano«, erwiderte der Richter und konterte ihr verbales Maschinengewehrfeuer mit seiner geduldig-behäbigen Sprechweise. »Aber Dr. Everedt wird den Fall umgehend bearbeiten. Das dürfte nicht länger als ein paar Tage dauern. Ich denke, so lange wird die Staatsanwaltschaft noch warten können, meinen Sie nicht?«
»Ja, Sir«, antwortete Yuki. Und während der Richter sich mit den Worten »Nächster Fall« an seinen Gerichtsdiener wandte, schritt Yuki durch den Vorraum auf die Doppeltür zu und verließ den Verhandlungssaal.
Sie wandte sich nach rechts und ging über den ausgetretenen Marmorboden des Flurs zu ihrem Büro. Dabei hoffte sie nur, dass die vom Gericht bestellte Psychologin erkennen würde, was sie und Lindsay bereits wussten.
Alfred Brinkley mochte verrückt sein, aber er war nicht unzurechnungsfähig.
Er war ein Killer, der vorsätzlich vier Menschen getötet hatte. Und wenn alles gut ginge, würde die Anklagevertretung schon bald die Gelegenheit bekommen, es zu beweisen.
33
Ich warf Conklin die Schlüssel des Einsatzwagens zu und stieg auf der Beifahrerseite ein.
Rich pfiff nervös durch die Zähne, als wir auf die Bryant hinaussteuerten und ein paar Blocks weit auf der 6th Street Richtung Norden fuhren, um dann die Market Street zu überqueren und den Weg nach Pacific Heights einzuschlagen.
»Wenn es irgendetwas gibt, was einen davon abbringen könnte, sich Kinder zuzulegen, dann so was«, sagte er.
»Und davon abgesehen?«
»Hätte ich am liebsten einen ganzen Stall voll.«
Wir spekulierten über die Entführung - ob es tatsächlich einen Mord gegeben hatte und ob das Kindermädchen mit den Kidnappern unter einer
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