Die 6. Geisel - Thriller
mir, seine Hand auf meinem Bauch.
»Was hast du, Lindsay?«
Ich schüttelte den Kopf - Nein, es ist nichts - , aber Joe drehte mein Gesicht zu sich um und zwang mich, in seine tiefblauen Augen zu sehen.
»Ich hatte einen fürchterlichen Tag«, sagte ich.
»Sicher«, erwiderte er. »Das ist nichts Neues. Deine Stimmung allerdings schon.«
Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, und es war mir peinlich. Ich wollte vor Joe nicht verletzlich erscheinen. Nicht in diesem Moment.
»Nun lass es schon raus, Blondie«, forderte er mich auf.
Ich drehte mich zu ihm um, legte den Arm über seine Brust und schob den Kopf in seine Halsbeuge. »Ich halte das nicht mehr aus, Joe.«
»Ich weiß; ich weiß, wie du dich fühlst. Ich will ja hierherziehen, aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt.«
Ich begann ruhiger zu atmen, als er von der aktuellen Kriegssituation zu sprechen begann, von den Wahlen im nächsten Jahr, den Bombenanschlägen in größeren Städten und der Sorge um die innere Sicherheit.
Irgendwann hörte ich nicht mehr zu. Ich stand auf und zog mir einen Bademantel über.
»Kommst du wieder?«, fragte Joe.
»Genau, das ist es«, sagte ich. »Das frage ich mich bei dir immer .«
Joe wollte protestieren, aber ich sagte: »Lass mich ausreden.«
Ich setzte mich auf die Bettkante und fuhr fort: »Das ist ja alles ganz wunderbar mit uns, aber was ganz und gar nicht wunderbar ist, das ist, dass ich mich nicht auf dich verlassen kann, Joe. Ich bin zu alt für eine Lotterie-Beziehung.«
»Linds…«
»Du weißt, dass ich recht habe. Ich weiß nie, wann ich dich wiedersehen werde oder ob ich dich erreiche, wenn ich dich anrufe. Dann bist du mal wieder hier, und dann bist du wieder weg, und ich bleibe zurück und vermisse dich.
Wir haben keine Zeit, uns zusammen zu entspannen, einfach normal zu sein, unser Leben zusammen zu leben. Wir haben immer wieder darüber geredet, dass du hierherziehst, aber wir wissen beide, dass das unmöglich ist.«
»Lindsay, ich schwöre …«
» Ich kann nicht warten, bis die nächste Regierung im Amt oder der Krieg zu Ende ist. Verstehst du das? «
Er hatte sich aufgesetzt und die Beine über die Bettkante geschwungen, und in seinem Gesicht sah ich so viel Liebe, dass ich mich abwenden musste.
»Ich liebe dich, Lindsay. Bitte, lass uns nicht streiten. Ich muss morgen früh gehen.«
»Du musst jetzt gehen, Joe«, hörte ich mich sagen. »Es bringt mich um, das sagen zu müssen, aber ich will nicht noch mehr gut gemeinte Versprechungen hören. Ziehen wir einen Schlussstrich, ja? Wir hatten eine wunderbare Zeit. Bitte. Wenn du mich liebst, dann lass mich gehen.«
Nach Joes Abschiedskuss lag ich noch lange auf meinem Bett und starrte an die Decke, während meine Tränen in das Kopfkissen sickerten. Ich fragte mich, was um alles in der Welt ich getan hatte.
40
Es war Samstagabend, kurz vor Mitternacht. Cindy lag schlafend in ihrem Bett in ihrer neuen Wohnung im Blakely Arms - allein -, als sie von einer Frau geweckt wurde, die sich irgendwo über ihr auf Spanisch die Lunge aus dem Leib schrie.
Eine Tür knallte, schnelle Schritte waren zu hören, ein Scharnier quietschte, und eine weitere Tür fiel ins Schloss, diesmal näher an Cindys Wohnung.
War das die Treppenhaustür?
Sie hörte wieder Geschrei, diesmal unten auf der Straße. Männerstimmen, die zu ihrem Fenster im dritten Stock heraufdrangen, und dann Geräusche wie von einem Handgemenge.
Cindy ertappte sich bei Überlegungen, die sie in ihrem alten Wohnblock nie angestellt hatte.
War sie hier sicher?
War das tolle Schnäppchen, das sie gemacht zu haben glaubte, vielleicht doch ein Fehlkauf gewesen?
Sie schlug die Bettdecke zurück, verließ das Schlafzimmer und ging durch ihr neues, luftiges Wohnzimmer und die Diele zur Tür, um durch den Spion zu spähen. Aber da war niemand. Bevor sie zu ihrem Schreibtisch ging, drehte sie den Knauf des Türriegels ein paarmal hin und her - links, rechts, links, rechts.
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und band es hoch. Herrje. Ihre Hände zitterten .
Vielleicht war es nicht nur das Nachtleben hier im Haus. Vielleicht war es der Artikel über die Kindesentführung, an dem sie schrieb, der sie Gespenster sehen ließ. Nach Henry Tylers Anruf hatte sie im Internet gesurft und einiges in Erfahrung gebracht über die Tausende von Kindern, die jedes Jahr in den Vereinigten Staaten gekidnappt wurden.
Die meisten dieser Kinder wurden von Familienmitgliedern
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