Die 6. Geisel - Thriller
Türöffnung gespannt war, und betraten die Wohnung, in der schon die Spurensicherung zugange war, ebenso wie der amtierende Rechtsmediziner, der gerade das Opfer fotografierte.
Es roch nach Gas.
Auf beiden Seiten waren die Fenster aufgerissen, um die Wohnung zu lüften, was den Effekt hatte, dass es einem hier drin kälter vorkam als unten auf der Straße.
Die Tote lag mitten im Zimmer auf dem Rücken, Arme und Beine ausgestreckt, eine Haltung, die sie besonders wehrlos erscheinen ließ, gegen die Attacke des Mörders wie auch gegen die Fremden, die jetzt in ihrer Wohnung herumschnüffelten und sie befingerten. Sie schien Anfang sechzig zu sein.
Blut rann aus einer Wunde an ihrem Hinterkopf. Ich sah, dass der blassgraue Teppich schon damit getränkt war und die Lache ein Bein eines Klaviers umflossen hatte.
Und das Klavier war vollkommen demoliert!
Was von der Tastatur noch übrig war, war blutverschmiert
und zerschlagen. Die Tasten waren herausgerissen und zerbrochen, viele lagen am Boden herum. Es sah aus, als hätte jemand wiederholt mit einem Hammer auf das Instrument eingeschlagen.
Dr. Germaniuk hatte Scheinwerfer aufgestellt, um die Wohnung bis in den letzten Winkel auszuleuchten. Sie war gemütlich eingerichtet, die Möbel allerdings schienen neu - mir fiel auf, dass an einem Sofabein noch ein Fetzen Plastikfolie von der Verpackung hing.
Germaniuk begrüßte mich, schob mit dem Handrücken seine Brille hoch und legte die Kamera weg.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich ihn.
»Sehr interessant«, meinte er. »Bis auf das Klavier und die Tatsache, dass sämtliche Gasflammen am Herd aufgedreht sind, scheint nichts berührt.«
Der Tatort gab ein geordnetes Bild ab, was fast immer bedeutete, dass das Verbrechen geplant und der Täter von hoher Intelligenz war.
»Das Opfer weist Verletzungen am Schädel auf, sowohl vorn als auch hinten«, sagte Germaniuk. »Sieht aus, als wären zwei verschieden Tatwerkzeuge benutzt worden - eins davon war das Klavier.
Ich werde Ihnen mehr sagen können, wenn ich Mrs. Wolkowski auf dem Tisch habe, aber so viel kann ich Ihnen jetzt schon verraten: Die Totenstarre hat noch nicht eingesetzt - sie fühlt sich warm an, und die Totenflecken beginnen sich gerade erst auszubilden. Diese Dame ist erst rund zwei Stunden tot, wahrscheinlich nicht mal so lange. Wir haben den Mörder nur knapp verpasst.«
70
Ich hörte Cindys Stimme an der Wohnungstür und riss mich lange genug vom Tatort los, um sie im Flur zu umarmen.
»Ich bin okay, ich bin okay«, murmelte sie. »Ich habe gerade deine Nachrichten abgehört.«
»Hast du das Opfer gekannt?«
»Ich glaube nicht. Nicht vom Namen her jedenfalls. Kann ich sie sehen?«
Der Tatort war tabu, und das wusste sie, aber das war ein Kampf, den ich schon früher mit Cindy ausgefochten und verloren hatte. Jetzt hatte sie wieder diesen Blick drauf. Hartnäckig. Unbeugsam. Verschlagen.
»Geh nicht zu nah ran und fass nichts an.«
»Weiß schon, keine Sorge.«
»Wenn irgendjemand Einwände erhebt, musst du gehen. Und du musst mir dein Wort geben, dass du nichts über die Todesursache schreiben wirst.«
»Mein Wort«, gab sie rotzfrech zurück.
Ich deutete auf eine leere Zimmerecke, und Cindy zog sich dorthin zurück. Beim Anblick der toten Frau auf dem Fußboden wurde sie blass, doch bei dem Massenauflauf in Wohnung 5J fiel ihre Anwesenheit nicht weiter auf, und niemand stellte sie zur Rede.
»Ist das Cindy?«, fragte Conklin und deutete mit dem Kinn in ihre Richtung.
»Ja. Sie ist vertrauenswürdig.«
»Wenn du das sagst.«
Ich stellte Cindy Rich vor, während Irene Wolkowskis Leiche in Planen gehüllt und in einem Leichensack verschlossen wurde. Wir tauschten unsere Theorien über das Verbrechen aus, während der kalte Wind durch die Wohnung fegte.
»Also«, sagte ich zu Conklin, »nehmen wir an, unser Mörder
ist jemand, den sie kennt. Er klingelt an der Tür. Sagt: ›Hallo, Irene, lass dich nicht stören. Klingt wirklich hübsch, was du da spielst.‹«
»Okay. Oder vielleicht war es ihr Mann«, meinte Conklin. »Kommt früh nach Hause, tötet sie und macht sich aus dem Staub. Oder es war ein Freund. Oder ein Liebhaber. Oder ein Fremder.«
»Ein Fremder?«, echote Cindy. »Kann ich mir nicht vorstellen. Ich würde keinen Fremden in meine Wohnung lassen - Sie vielleicht?«
»Okay, leuchtet mir ein«, gab Conklin zu. »Aber jedenfalls sitzt sie am Klavier. Wegen der lauten Musik hört sie nicht, wie die Tür geöffnet wird, und
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