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Die 6. Geisel - Thriller

Titel: Die 6. Geisel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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und sie hatte gelernt, seine verräterische Geste zu erkennen. Sherman legte immer den rechten Zeigefinger an die Oberlippe, kurz bevor er einem Zeugen an die Kehle sprang.
    »Mr. Stringer, haben Mrs. Canello oder Anthony Canello irgendetwas getan, was meinen Mandanten hätte provozieren können?«
    »Nein. Soweit ich das mitbekommen habe, haben sie ihn überhaupt nicht bemerkt.«
    »Und Sie sagen, mein Mandant habe ruhig ausgesehen, als er auf sie schoss?«
    »Also, an sich hat er schon einen ziemlich wilden Eindruck gemacht, aber als er abgedrückt hat, da war sein Gesichtsausdruck so, wie ich schon sagte - kalt. Leer. Und seine Hand hat nicht gezittert.«
    »Wenn Sie ihn sich heute anschauen - sieht Mr. Brinkley so aus wie damals auf der Del Norte ?«
    »Eher nicht.«
    »Inwiefern sieht er anders aus?«
    Stringer seufzte und senkte den Blick auf seine Hände, bevor er antwortete. »Er sah abgerissen aus. Ich meine, er hatte lange Haare und einen ungepflegten Bart. Seine Kleider waren verdreckt, und er hat irgendwie streng gerochen.«

    »Er sah also abgerissen aus. Sein Gesichtsausdruck war leer, und er stank zum Himmel . Und Sie sahen, wie er zwei Menschen erschoss, die ihn nicht provoziert hatten. Sie wussten nicht einmal, dass er da war. «
    »Das stimmt.«
    Finger an die Oberlippe.
    »Was Sie uns also sagen wollen, ist, dass Fred Brinkley wie ein Verrückter aussah und handelte.«
    Yuki sprang auf. » Einspruch, Euer Ehren. Suggestivfrage.«
    »Einspruch stattgegeben.«
    Shermans dezenter Charme übernahm wieder das Ruder.
    »Mr. Stringer, hat Mr. Brinkley auf Sie wie ein geistig normaler Mensch gewirkt?«
    »Nein. Er wirkte vollkommen wahnsinnig.«
    »Ich danke Ihnen, Mr. Stringer«, sagte Sherman.
    Yuki versuchte, sich eine Frage für das Kreuzverhör auszudenken, mit der sie die Begriffe »Verrückter« und »wahnsinnig« vergessen machen könnte, aber was aus ihrem Mund kam, war nur: »Die Staatsanwaltschaft ruft Mr. Jack Rooney auf.«

74
    Auf seinen dreibeinigen Gehstock gestützt, humpelte Jack Rooney den Mittelgang hinauf. Er verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein, schwang die rechte Hüfte im Halbkreis und wiederholte dieses mühselige, aber irgendwie faszinierend anzuschauende Manöver immer wieder, bis er den Zeugenstand erreicht hatte.
    Dort wurde er vom Gerichtsdiener in Empfang genommen, der den alten Mann unterm Ellbogen fasste und ihm auf den Stuhl half. Wenigstens ein Zeuge, der gegen Mickeys Masche immun sein dürfte, dachte Yuki.
    Oder?
    »Danke, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben, Mr. Rooney«, sagte Yuki, als der alte Herr endlich saß. Rooney trug eine rote Strickjacke über einem weißen Hemd mit roter Fliege. Eine Brille mit dicken, viereckigen Gläsern saß auf einer knubbeligen Nase, und sein weißes Haar war so fein säuberlich gescheitelt und angeklatscht wie bei einem kleinen Jungen am ersten Schultag.
    »Ist mir ein Vergnügen.« Rooney strahlte.
    »Mr. Rooney, waren Sie am 1. November an Bord der Fähre Del Norte ?«
    »Jawohl, junge Frau. Ich war dort mit meiner Frau Betty und unseren Freunden Leslie und Joe Waters. Wir kommen alle aus der Nähe von Albany, wissen Sie. Das war unser erster Besuch in San Francisco.«
    »Und ist während dieser Fahrt mit der Fähre irgendetwas Ungewöhnliches passiert?«
    »Na, das kann man wohl sagen. Dieser Kerl da drüben hat einen Haufen Leute umgebracht«, sagte er und zeigte auf Brinkley. »Ich hatte solche Angst, dass ich mir fast in die Hosen gemacht hätte.«

    Yuki gestattete sich ein Lächeln, während auf der Zuschauergalerie amüsiertes Gelächter zu hören war. »Würde der Gerichtsschreiber bitte festhalten, dass der Zeuge den Angeklagten Alfred Brinkley identifiziert hat. Mr. Rooney, haben Sie eine Videoaufnahme der Schießerei gemacht?«
    »Na ja, ich sollte eigentlich den ganzen Fährausflug filmen - die Golden Gate Bridge und Alcatraz und so weiter -, aber am Ende ist es dann ein Film von dem Amoklauf geworden. Nette kleine Kamera, die mir mein Enkel da geschenkt hat«, sagte er und hielt zur Demonstration Daumen und Zeigefinger ungefähr acht Zentimeter auseinander. »Sie ist nur so groß wie ein Schokoriegel, aber sie macht Fotos und filmt! Ich mache bloß die Aufnahmen, und mein Sohn spielt sie dann für mich auf den Computer. Ach ja, und ich habe den Film an einen Fernsehsender verkauft, und damit war dann so ziemlich der ganze San-Francisco-Urlaub finanziert.«
    »Euer Ehren?«, kam Mickey Shermans müde

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