Die 6. Geisel - Thriller
dieser schöne, dicke Teppich verschluckt das Geräusch der Schritte.«
»Genau«, pflichtete ich ihm bei.
»Ist das ihre Handtasche?«, fragte Cindy.
Auf einem Polsterstuhl lag eine glänzende schwarze Damenhandtasche. Ich öffnete sie, nahm die Geldbörse heraus und zeigte Conklin das Bündel Zwanzigdollarscheine und die komplette Kreditkarten-Kollektion.
»Das war’s dann wohl mit der Raubmord-Theorie«, sagte ich.
»Ich war dabei, als einer dieser Hunde gefunden wurde«, warf Cindy ein und schilderte kurz die Ereignisse.
Rich schüttelte den Kopf, und eine Haarsträhne fiel ihm vor die Augen. »Die Spur eines psychopathischen Killers, der sich von Mal zu Mal steigert, bis … zu dem hier ? Dann hätte er aber einen gewaltigen Sprung gemacht. Also, wir haben einerseits die Schläge auf den Kopf und das zertrümmerte Klavier. Aber warum dreht er dann auch noch das Gas auf?«
»Entweder wollte er dafür sorgen, dass sie gefunden wird«, mutmaßte ich, »oder er wollte sichergehen, dass sie tot ist.« Ich sah Cindy an. »Kein Wort darüber in der Chronicle .«
71
Yuki musste immerzu an Lens Gesicht denken, seinen schmerzverzerrten Ausdruck, als der Herzinfarkt ihn umzubringen drohte.
Sie hatte sich am Abend zuvor im Krankenhaus von ihm verabschiedet; sein Zustand war stabil, aber er war außer Gefecht gesetzt. Anschließend hatte sie David Hale zu Hause angerufen und ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen. »Len ist etwas zugestoßen. Komm morgen früh um sechs ins Büro - und stell dich darauf ein, vor Gericht aufzutreten.«
Jetzt saß Yuki gegenüber von David in dem schäbigen, kiefernholzgetäfelten Besprechungszimmer, vor sich ihre Unterlagen und einen Becher Instant-Kaffee, und brachte ihren Kollegen auf den neuesten Stand.
»Warum beantragen wir keine Vertagung?«, fragte er sie. David sah heute einigermaßen präsentabel aus - hellbraunes Sakko mit Fischgrätmuster, blaue Hose und gestreifte Krawatte. Einen Haarschnitt hätte er nötig gehabt, aber das war jetzt nicht mehr zu ändern. Von allen Leuten, die ihr so kurzfristig zur Verfügung standen, konnte sie von Hale die beste Arbeit erwarten.
»Aus drei Gründen«, antwortete Yuki und klopfte mit einem Plastiklöffel auf den Tisch.
»Erstens: Leonard will Jack Rooney nicht als Zeugen verlieren. Rooneys Gesundheit ist nicht die beste. Zum Zeitpunkt des Amoklaufs machte er gerade Urlaub. Es besteht die Gefahr, dass er uns nicht zur Verfügung steht, wenn wir ihn brauchen, und das könnte bedeuten, dass das Video nicht zugelassen wird.«
»Okay.«
»Zweitens: Len will nicht riskieren, Richter Moore zu verlieren.«
»Ja, das verstehe ich auch.«
»Len sagt, er wird rechtzeitig zum Schlussplädoyer wieder dabei sein.«
»Das hat er gesagt?«
»Hat er - als sie ihn für die OP vorbereitet haben. Er war bei klarem Verstand und wild entschlossen.«
»Was hat sein Arzt gesagt?«
»Sein Arzt hat wörtlich gesagt: ›Es ist relativ wahrscheinlich, dass die Schäden an Leonards Herz reversibel sind.‹«
»Mussten sie ihm den Brustkorb aufschneiden?«
»Ja. Ich habe mich bei Lens Frau erkundigt - er hat die OP gut überstanden.«
»Und da will er allen Ernstes in einer guten Woche das Schlussplädoyer halten?«
»Wahrscheinlich nicht. Er wird auch keine Tarantella tanzen«, erwiderte Yuki. »Und das bringt mich zu Nummer drei. Len sagte, dass ich genauso gut vorbereitet bin wie er, dass er Vertrauen in uns hat. Und wir werden ihn nicht enttäuschen.«
David Hale starrte sie mit offenem Mund an, bis er schließlich herausbrachte: »Yuki, ich hab keinerlei Prozesserfahrung.«
»Aber ich. Mehrere Jahre.«
»Du hast Erfahrung in Zivilprozessen, nicht in Strafsachen.«
»Sei still , David. Ich war Prozessanwältin. Das zählt. Also werden wir für Red Dog unser Bestes geben. Wir werden die nächsten drei Stunden damit verbringen, das, was wir beide schon wissen, noch einmal durchzugehen.
Wir haben glaubwürdige Augenzeugen, wir haben das Rooney-Video, und wir haben Geschworene, die über die Unzurechnungsfähigkeitsthese der Verteidigung nur den Kopf schütteln werden.
Wie Len schon bei der Vorbereitungssitzung sagte: Je willkürlicher die Tat, je weniger Motive für die Morde erkennbar sind, desto mehr Angst werden die Geschworenen davor
haben, dass Brinkley nur für fünfundvierzig Minuten in die Klapse kommt und dann auf freien Fuß gesetzt wird…«
Yuki brach ab, als sie das breite Grinsen bemerkte, das sich auf David Hales Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher