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Die 6. Geisel - Thriller

Titel: Die 6. Geisel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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deutlichsten erinnerte. Es waren die ganz alltäglichen Szenen - Joe, wie er singend unter der Dusche stand, während ich heimlich im Spiegel seine Geheimratsecken betrachtete. Oder die Art, wie er sich beim Frühstück über seine Müslischüssel beugte, als ob er fürchtete, dass jemand sie ihm wegnehmen könnte - weil er schließlich in einem Haus mit sechs Geschwistern aufgewachsen war, wo niemand einen Exklusivanspruch
auf irgendetwas hatte. Ich musste daran denken, dass Joe der einzige Mensch in meinem Leben war, bei dem ich einfach sagen konnte, was mich beschäftigte, und der nicht von mir erwartete, dass ich immer stark war. Und - na ja, okay, was mir auch durch den Kopf schoss, war die Art, wie er beim Sex meinen Körper bearbeitete, bis ich mich ganz leicht und schwerelos fühlte, und dieses Gefühl absoluter Geborgenheit, wenn ich in seinen Armen einschlief.
    »Man hat es mir zugesichert, aber noch habe ich nichts Konkretes in der Hand…« Er verstummte und heftete die Augen auf mich. »Mein Gott, Lindsay«, sagte er, »du weißt ja gar nicht, wie sehr du mir gefehlt hast.«
    Der Wind, der von der Bucht her wehte, trocknete die Tränen auf meinen Wangen, und ich empfand nur noch Dankbarkeit für das unerwartete Geschenk seines Besuchs - und Vorfreude auf den Abend mit ihm. Ich hatte noch eine ungeöffnete Flasche Courvoisier in meiner Hausbar. Und Massageöl im Nachtschränkchen … Ich dachte daran, wie köstlich kühl die Luft war, und wie heiß uns oft wurde, wenn wir einfach nur nebeneinanderlagen, auch wenn wir uns noch gar nicht berührt hatten.
    »Warum kommst du nicht einfach mit rauf?«, sagte ich schließlich. »Wir müssen uns doch nicht auf der Straße unterhalten.«
    Ein Schatten huschte über seine Züge, als er auf mich zukam und sanft, aber entschlossen seine großen Hände um meine Schultern legte.
    »Ich würde ja gerne reinkommen«, sagte er, »aber dann verpasse ich meinen Flug. Ich musste es dir einfach sagen. Bitte, gib mich noch nicht auf.«
    Joe schlang die Arme um mich und zog mich an sich. Instinktiv spannte ich mich an, verschränkte die Arme vor der Brust und senkte das Kinn.
    Ich wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Wollte mich nicht bezirzen oder umstimmen lassen, denn in diesen drei Minuten
hatte ich wieder mal die komplette Joe-Molinari-Achterbahnfahrt absolviert.
    Erst vor gut einer Woche hatte ich all meine Willenskraft zusammengenommen, um mich von ihm loszureißen, weil ich diesen verdammten Zaubertrick endgültig sattgehabt hatte - gerade noch ist er da , und im nächsten Moment - Abrakadabra! - ist er weg .
    Nichts hatte sich geändert!
    Ich kochte vor Wut. Und ich konnte nicht zulassen, dass Joe meinen Widerstand überwand, nur um mich gleich wieder im Stich zu lassen. Ich sah ihm noch ein letztes Mal in die Augen und stieß mich von ihm ab.
    »Es tut mir leid. Einen Moment lang hatte ich dich für jemand anderen gehalten. Du solltest jetzt besser gehen«, stieß ich hervor. »Guten Flug.«
    Er rief meinen Namen, als ich, so schnell ich konnte, die Stufen zu meiner Haustür hinauflief. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte den Knauf, alles in einer Bewegung. Dann knallte ich die Tür hinter mir zu und stürmte gleich weiter die Treppe hinauf. Doch als ich in meiner Wohnung war, musste ich gleich zum Fenster gehen.
    Ich schob den Vorhang zur Seite - und sah gerade noch Joes Wagen davonfahren.

99
    Mein Telefon begann zu läuten, noch ehe ich den Vorhang wieder losgelassen hatte. Ich wusste, dass es Joe war, der vom Wagen aus anrief, und ich hatte ihm nichts zu sagen. Ich duschte lange und ausgiebig, fünfzehn oder zwanzig Minuten unter dem heißen Wasserstrahl.
    Als ich aus dem Bad kam, läutete das Telefon schon wieder. Ich ignorierte es auch diesmal, genau wie die hektisch blinkende Anzeige meines Anrufbeantworters und den blechernen Klingelton des Handys, das mich aus meiner Jackentasche heraus anfunkte.
    Ich schob mein Abendessen in die Mikrowelle. Dann machte ich den Courvoisier auf und schenkte mir ein Wasserglas voll ein. In diesem Moment setzte wieder das nervige Gedudel des Handys ein.
    Ich fischte es aus der Jackentasche und knurrte: »Boxer.« Fast wäre mir auch noch ein »Lass mich in Ruhe, Joe, okay?« herausgerutscht, und als ich die Stimme meines Partners erkannte, war ich unerklärlicherweise enttäuscht.
    »Was muss man denn eigentlich anstellen, damit du ans Telefon gehst, Lindsay?«, schimpfte Rich. Er war sauer auf mich, aber das war

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