Die 7 Suenden
nachvollziehbar, und du hast ihn nicht persönlich angegriffen. Du hast die Sache in Gegenwart unseres unmittelbaren Vorgesetzten zur Sprache gebracht. Alles vollkommen in Ordnung. Ich bin bloß erleichtert, dass du Unrecht gehabt hast.«
»Also... hör mal. Du kennst ihn besser als ich. Muss ich jetzt damit rechnen, dass er meine Autoreifen aufschlitzt?«, sagte Conklin.
Bei der Vorstellung musste ich grinsen.
»Weißt du was, Rich? Ich glaube, dass Chuck am liebsten seine eigenen Reifen aufschlitzen würde, weil er dieses Buch übersehen hat. Sag einfach: ›Tut mir leid. Ich hoffe, du bist mir nicht böse.‹ Ein männlicher Händedruck und Schwamm drüber, okay?«
Mein Telefon klingelte.
Ich hielt Richies verdrießlichem Blick einen Augenblick lang stand, wusste, wie schlecht er sich fühlte, und litt mit ihm, doch dann nahm ich den Hörer ab.
Claire sagte: »Schätzchen, kannst du mit Conklin mal eben hier runter kommen? Ich muss euch ein paar Sachen zeigen.«
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Claire hob den Kopf, als Rich und ich mit lautem Krachen die Schwingtüren zum Obduktionssaal aufstießen. Sie trug eine Papiermütze mit Blumenmuster und eine Plastikschürze, deren Bänder sich bis zum Äußersten über ihrem dicken Leib spannten. Sie sagte: »Hallo, ihr beiden. Seht euch das mal an.«
Aber auf dem Obduktionstisch lag keine Leiche, sondern ein in der Mitte aufgeschnittenes längliches Ding, knapp zwanzig Zentimeter lang, das aussah wie ein Muskel. Es war mit Klammern am Obduktionstisch festgemacht.
»Was ist denn das ?«, wollte ich wissen.
»Das ist eine Luftröhre«, erläuterte Claire. »Von einem Schnauzer, den Hanni im Gebüsch vor dem Haus der Chus entdeckt hat. Seht ihr die rosa Färbung? Da ist kein Ruß zu entdecken, und auch die Kohlenmonoxidprobe war negativ, so dass ich behaupte, dass der Hund nicht im Haus war, als es gebrannt hat. Höchstwahrscheinlich war er im Garten, hat Alarm geschlagen, und irgendjemand hat ihn mit einem Schlag auf den Kopf zum Schweigen gebracht.
Seht ihr die Fraktur hier?«
So viel zum Thema Großfahndung nach Graubart. Wer würde wohl die traurige Aufgabe übernehmen und Molly beichten, dass ihr Hund tot war? Claire erzählte uns unterdessen, dass sie den ganzen Tag damit zugebracht hatte, die Überstellung der Leichen von George und Nancy Chu aus dem Beerdigungsinstitut zu organisieren.
»Der Fall gehört nicht in unsere Zuständigkeit, aber irgendwann hat mir Ruben Chu schließlich die Genehmigung erteilt. Ich habe ihm gesagt, dass ich, falls ich gegen den
Mörder aussagen muss und nicht sämtliche Leichen eingehend untersucht habe, von der Verteidigung in Stücke gerissen werde.«
Ich ließ ein ermutigendes »Mm-hmm« hören, und Claire fuhr fort.
»Ruben Chu war verzweifelt. Er wollte nicht, dass seine Eltern ›noch mehr Entwürdigungen ertragen‹ müssen, aber … Letztendlich habe ich die Freigabe bekommen. Jetzt sind sie beide gerade beim Röntgen«, fügte Claire noch hinzu.
»Wie war dein erster Eindruck?«, wollte ich wissen.
»Sie waren ziemlich übel verbrannt, während des Transports sind auch ein paar Gliedmaßen abgefallen, aber George Chus Knöchel waren immer noch mit mehreren unversehrten Lagen Monofil-Fasern umwickelt. Und das, meine Freunde, ist der unumstößliche Beweis dafür, dass sie gefesselt waren, als es gebrannt hat.«
»Hervorragende Arbeit, Claire.«
»Und ich hatte noch genügend Blut, um eine Giftstoffanalyse machen zu können.«
»Sollen wir dir eigentlich alles aus der Nase ziehen?«
»Willst du etwa behaupten, dass ich nur lebe, um euch zu frustrieren? Ich rede ja schon so schnell ich kann.« Claire lachte. Sie drückte mir mitfühlend die Schulter, holte ein Blatt Papier aus einem großen, braunen Umschlag und legte es auf den Obduktionstisch, direkt neben die Hundeluftröhre.
Dann glitt ihr Zeigefinger an der Tabelle mit Daten und Zahlen entlang. »Viel Alkohol im Blut«, sagte sie. »Die Chus haben entweder viel oder aber hochprozentiges Zeug getrunken.«
»So wie Sandy Meacham?«
»Ganz genau so.«
Da fiel mir die lateinische Inschrift aus dem Buch wieder ein. Sobria inebrietas . Nüchterne Trunkenheit. Auf meinem
Handy war Chuck Hannis Nummer gespeichert, und ich rief ihn an. Falls ich Recht hatte, dann war das eine Erklärung dafür, wieso er an den verschiedenen Tatorten keinen Brandbeschleuniger entdeckt hatte.
»Chuck? Hier spricht Lindsay. Könnten diese Brände auch mit Schnaps gelegt worden sein?«
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Die Sonne ging
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