Die 7 Suenden
Gerichtssaal betraten.
Die zwölf Männer und Frauen hatten sich für den heutigen Tag herausgeputzt, die Haare frisiert und mit Spray in Form gebracht, die Männer mit Krawatte und Jackett, die Frauen mit glitzerndem Schmuck.
Die Sprecherin, Maria Martinez, war mit dreißig Jahren etwa in Yukis Alter, eine Sozialkunde-Lehrerin und Mutter zweier Kinder. Yuki konnte sich nicht vorstellen, dass Mrs. Martinez sich für eine Prostituierte einsetzte, die einen jungen Mann erst sterben ließ und ihn anschließend in einem Müllcontainer ablud.
Mrs. Martinez stellte die Handtasche auf den Boden.
Yuki spürte ein Kribbeln im Nacken und auf den Armen, als Richter Bendinger seinen Laptop aufklappte und eine scherzhafte Bemerkung zum Gerichtsschreiber machte, die Yuki jedoch nicht hören konnte. Dann wandte er den Blick nach vorne und sagte: »Ruhe, bitte!«
Es wurde still im Saal, und Bendinger fragte die Geschworenen, ob sie zu einem Urteil gelangt seien.
Martinez sagte: »Ja, Euer Ehren.«
Der Zettel mit dem Schuldspruch wanderte von Martinez zum Richter und wieder zurück. Nicky Gaines hustete erneut, und Parisi streckte den Arm hinter Yukis Rücken aus, verpasste Gaines einen Klaps auf den Hinterkopf und starrte ihn tadelnd und mit gerunzelter Stirn an.
»Würde die Sprecherin dann bitte das Urteil verlesen?«, sagte Bendinger. Martinez stand auf. Klein sah sie aus in ihrem dunkelgrauen Anzug. Sie räusperte sich.
»Wir, die Geschworenen, befinden die Angeklagte Junie Moon im Anklagepunkt Totschlag für nicht schuldig.
Wir befinden die Angeklagte Junie Moon im Anklagepunkt Unterschlagung von Beweismitteln für nicht schuldig ...«
Vielstimmiges Rufen erklang nun in dem überfüllten Gerichtssaal, nur unterbrochen von Bendingers energischen Hammerschlägen.
»Was hat sie gesagt? Was hat sie gesagt?«, erkundigte sich Gaines noch bei Yuki, als der Richter den Geschworenen bereits gedankt und sie verabschiedet hatte.
Yuki war schlagartig schlecht geworden, sie fühlte sich körperlich krank. Sie hatte verloren. Sie hatte verloren, und sie hatte alle enttäuscht - die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Campions und sogar Michael. Ihr Auftrag und ihr sehnlicher Wunsch war es gewesen, dem toten Jungen Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen, und sie hatte versagt.
»Diese Arbeit ist einfach nichts für mich«, sagte sie zu sich selbst. Abrupt stand sie auf.
Ohne ein Wort zu Parisi oder Gaines drehte sie sich zu den Campions um und sagte: »Es tut mir sehr leid.«
Mit gesenktem Blick schob sie sich hinaus in den bevölkerten Mittelgang und verließ den Gerichtssaal.
92
Yuki sah, wie Twilly sich von seinem Sitzplatz im Zuschauerraum erhob und ihr bis auf den Korridor hinaus folgte. Dieses Dreckschwein. Sie arbeitete sich durch die Menschenmassen im Flur, riss die Tür zur Damentoilette auf, suchte sich eine leere Kabine und verriegelte sie. Lange Minuten saß sie einfach nur da, die Hände vors Gesicht geschlagen, dann trat sie an ein Waschbecken, wusch sich das Gesicht und setzte die Sonnenbrille auf.
Zurück im Flur steuerte sie ohne Umschweife den Notausgang an. Mit schnellen Schritten eilte sie die Treppe hinunter, während ihr Herz ununterbrochen wie wild pochte und ihre Gedanken sich ausschließlich um den Urteilsspruch drehten, immer noch geschockt von der Tatsache, dass die Geschworenen Junie Moon nicht schuldig gesprochen hatten. Die Öffentlichkeit würde Amok laufen, wenn bekannt wurde, dass Junie Moon das Gefängnis als freier Mensch verlassen konnte. Dafür würde man sie verantwortlich machen, und zwar mit vollem Recht.
Es war ihr Fall, und sie hatte ihn verloren.
Yuki stieß die Tür ins Foyer auf und trat mit gesenktem Kopf aus dem grauen, würfelförmigen Gebäude hinaus in den gleichermaßen grauen Vormittag. Len Parisi stand am oberen Treppenabsatz wie ein rothaariger Mammutbaum inmitten einer Schar Journalisten, die ihm ihre Kameras und Mikrofone entgegenreckten und ihm Fragen zuriefen.
Sie entdeckte in der Menge Stars - Fernsehreporter wie Anderson Cooper und Rita Cosby, Diana Dimond und Beth Karas. Vor laufenden Kameras ließ Len Parisi wahrscheinlich genau das politisch korrekte Bla-Bla-Bla vom Stapel, das
man von einem Staatsbeamten mit einem überstandenen und vermutlich einem bevorstehenden Herzinfarkt eben erwarten konnte.
Fünfzehn Meter weiter und drei Treppenstufen niedriger standen Maria Martinez und ein paar weitere Geschworene, ebenfalls von einem Journalistenpulk
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