Die 7 Suenden
warf einen Blick auf ihre neue Armbanduhr. Es war erst halb drei, also würde ihr noch genügend Sonne bleiben.
Der Wegweiser mit der Aufschrift »ROSE COTTAGE 500 m« war fast völlig von den Büschen am Straßenrand überwuchert, aber Yuki bemerkte ihn und bog ab, fuhr durch eine bewaldete Schlucht und dann eine unbefestigte, bergauf
führende Straße entlang. Der zerfurchte Pfad mündete in eine schleifenförmige Zufahrtsstraße, die vor der Hütte des Verwalters endete.
Der Verwalter, beziehungsweise die Verwalterin, eine blonde Frau namens Paula Vaughan, erkannte Yuki wieder und hieß sie in Rose Cottage willkommen. Sie tauschten ein paar Höflichkeiten aus, während Paula Vaughan Yukis Kreditkarte durch ihr Gerät zog. Und dann war ihr klar geworden, wen sie vor sich hatte. Sie sagte: »Gerade habe ich die Nachrichten gesehen. Wirklich schade, dass Sie nicht gewonnen haben.«
Yuki hob den Kopf und sagte: »Ich kann mir hier auch was zu essen bestellen, stimmt’s? Das Farm House liefert auch hierher?«
Minuten später machte sie die Haustür der Rose Cottage auf, stellte ihre Taschen im größeren der beiden Schlafzimmer ab und schob die Schiebetür zur Veranda auf. Der Bear-Valley-Wanderweg führte rechts an der Hütte vorbei und wand sich dann durch bewaldetes Gebiet ungefähr hundertdreißig Höhenmeter nach oben, bis man zu einem Bergkamm mit einem fantastischen Blick auf das Meer gelangte.
Diesen Weg war sie mit Lindsay gegangen.
Yuki schlüpfte in eine Jeans und Wanderstiefel. Dann ließ sie die Schlösser ihres Aktenkoffers aufschnappen, holte ihre neue Smith & Wesson, Kaliber.357, heraus, steckte sie in eine Tasche ihres Anoraks und das Handy in die andere. Doch noch bevor sie zu ihrem Spaziergang in die freie Natur aufbrechen konnte, ertönte ein beharrliches Klopfen an ihrer Tür.
Und das Wummern in ihrer Brust ging schon wieder los.
95
Jason Twilly trug Chinos und einen marineblauen Pullover und hatte sich eine Ledertasche über die Schulter gehängt. Er sah attraktiv aus, weltmännisch, als sei er gerade einer neuen Ausgabe von Town & Country entsprungen, und sein schiefes Lächeln hatte seine Bedrohlichkeit verloren.
»Was willst du hier, Jason?«
Yuki hatte die Tür ungefähr zehn Zentimeter weit geöffnet. Das reichte, um ihn sehen und hören zu können. Und sie hatte die Hand um die Pistole in ihrer Tasche geklammert, spürte die Macht dieser kleinen Waffe, wusste, was sie anrichten konnte.
»Hey, weißt du was, Yuki? Wenn ich dich nicht so gern hätte, dann wäre ich jetzt wirklich verletzt. Mein Leben lang bin ich damit beschäftigt, irgendwelche Frauen abzuwimmeln, aber du haust mir pausenlos die Tür vor der Nase zu.«
»Wie hast du mich gefunden?«
»Ich habe gewartet, bis du aus deiner Wohnung gekommen bist, und dann bin ich dir nachgefahren. War nicht weiter schwierig. Hör zu, es tut mir leid, dass ich heute Morgen ein bisschen ruppig geworden bin.« Er seufzte. »Es ist nur so, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Ich habe einen riesigen Vorschuss für das Buch bekommen, und jetzt ist das ganze Geld futsch.«
»Ach, wirklich?«
»Ja. Sportwetten. Eine meiner kleinen Schwächen.« Twilly fügte seinem Lächeln eine Prise jungenhaften Charme hinzu. »Um ehrlich zu sein, es ist mehr als nur eine kleine Schwäche... Und in letzter Zeit hat es sich zu so einer Art Lawine
entwickelt. Ich erzähle dir das nur, damit du mich verstehen kannst. Ein paar wirklich üble Leute wollen ihr Geld zurück haben. Und denen ist es völlig egal, ob mein Buch ein Erfolg wird oder nicht.«
»Nicht mein Problem, Jason.«
»Warte. Warte. Hör mir einfach zu, okay? Ich kann den Vorschuss nicht zurückzahlen, verstehst du, und dann sind da noch die anderen Schulden. Ich brauche von dir nichts weiter als deine Gefühle, deine Sicht der Dinge, deine eigenen Worte... So können wir der Geschichte von Michael Campion einen befriedigenden Abschluss verpassen.«
»Ist das dein Ernst? Nach all dem Mist, den du mir schon aufgetischt hast? Ich habe dir nichts zu sagen, Jason.«
»Yuki, hier geht es nicht um persönliche Dinge. Es geht ums Geschäft. Ich werde dich nicht anrühren, okay? Schenk mir nur eine einzige Stunde deiner Zeit, und du wirst es nicht bereuen. Du bist die aufopferungsvolle Staatsanwältin, und diese kleine Nutte mit dem Herz aus Stein hat dir den wohlverdienten Prozesserfolg vor der Nase weggeschnappt. Yuki, man hat dich beraubt!«
»Und wenn ich mich nicht interviewen lassen
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